Pick-ups: Kein Boom mehr in Europa

Der europäische Pick-up-Boom ist vorbei, noch bevor er richtig angefangen hat. Die Neuzulassungszahlen der Pritschenwagen brechen ein, viele Hersteller ziehen sich vom Markt zurück. Dabei waren sie erst vor wenigen Jahren mit großem Optimismus gestartet.

Vor gut einem Jahrzehnt starteten gleich mehrere Hersteller eine Pritschenwagen-Offensive: Angeführt vom VW Amarok drängten neben dem Mercedes auch der Renault Alaskan und der Fiat Fullback in das zuvor kleine Segment. Beherrscht wurde es von wenigen Platzhirschen, zu denen vor allem die asiatischen Modelle Nissan Navara, Mitsubishi L200 und Toyota Hilux zählten. Diese mittelgroßen Pritschenwagen im Ein-Tonnen-Segment waren vor allem in Südostasien populär. Dass sie auch in Europa ein paar Fans fanden, war eher angenehmer Nebeneffekt als wirtschaftlich wichtig.

Vorbild waren die in den USA populären Full-Size-Pick-ups. Nicht nur technisch, sondern vor allem kommerziell. Die eher einfach konstruierten, dafür schwer motorisierten Trucks sind wahre Margen-Raketen. Ford etwa verdient weltweit an keinem Modell mehr Geld als am F-150. Bei den Konkurrenten Chevrolet Silverado und dem Ram von Dodge dürfte das ähnlich aussehen. Und dass obwohl die US-Bestseller vor Ort eher zu den günstigen Autos für preissensible Kunden zählen.

Doch in Europa ging das Konzept nicht auf. Auch wenn die „Europa-Pick-ups“ mit maximal fünf Metern Länge deutlich kompakter sind als ihre amerikanischen Verwandten, stießen sie doch in Altstädten, Parkhäusern und selbst auf Baumarkt-Parkplätzen schnell an bauliche Grenzen. Ihre praktischen Vorteile konnten sie im Gegenzug häufig nicht ausspielen: Die Ladefläche ist vielleicht für Rindenmulch oder den Quad-Transport geeignet, der Wochenendeinkauf hingegen muss umständlich festgezurrt und gegen den in diesen Breiten nicht selten auftretenden Regen geschützt werden. Als Alltagsfahrzeug, das der Pick-up in vielen Regionen der USA ist, taugt er hierzulande kaum. Dazu kommen ein gelegentlich ruppiges Fahrverhalten, ein recht hoher Verbrauch und ein nicht eben dezenter Auftritt, der nicht von allen Kunden gewünscht ist. Nicht zuletzt haben die durstigen und raumgreifenden Allrader zunehmend ein Problem mit der sozialen Akzeptanz bekommen, vor allem dort, wo sie nicht als Nutzfahrzeuge, sondern als reine Lifestyle-Fahrzeuge auftraten.

Der Renault Alaskan ist ebenso verschwunden wie der Fiat Fullback. Und auch Nissan will den Navara auf dem Kontinent künftig nicht mehr anbieten. Selbst VW, als Vollsegments-Anbieter mit starker Südamerika- und Asien-Präsenz eigentlich prädestiniert für einen Pick-up, lässt die nächste Generation des Amarok von Ford bauen. Deren Ranger dürfte zu den wenigen Gewinnern des Pritschenwagen-Abschwungs zählen, muss er sich den Europa-Markt doch künftig wieder mit weniger Konkurrenten teilen. Denn auch wenn das erhoffte Wachstum ausgeblieben ist: Kundschaft für robuste Pritschenwagen gibt es hier auch weiterhin.

Fotos: Fiat, Ford, Renault, Volkswagen

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