MINI Cooper WRC: So fährt sich ein Rallye-Auto

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Als der Rallye-Sport sich 1987 von den brutalen Gruppe-B-Wagen abwandte, verschwanden die Extrem-Sportwagen von der Bildfläche: Die darauf folgenden Gruppe-A-Fahrzeuge, aus denen dann die WRC-Typen wurden, waren erheblich seriennäher. Inzwischen nähern sich die Fahrzeuge technisch an: Das Reglement erlaubt 1,6-Liter-Turbomotoren mit bis zu 300 PS, es schreibt eine Mindestlänge von 4 Metern und ein Mindestgewicht von 1.200 Kilogramm vor. In diesem Segment treten momentan der Citroën DS3, der Ford Fiesta WRC und der Mini Countryman an. Nächstes Jahr folgt Volkswagen mit dem Polo R. Das klingt nach eher subtilen Modifikationen – oder ist die konventionelle Außenhaut nur eine bedeutungslose Hülle?

Wir wollten es genauer wissen – und haben uns ans Steuer des Mini Countryman gesetzt. Das ist der hochbordige Crossover, der zwischen den Kleinwagen schon optisch deutlich heraussticht, jedoch auch die wohl spektakulärsten Drifteinlagen auf der Rallye Monte Carlo geboten hat.

Schon der Einstieg gestaltet sich schwierig: Es gilt, über einen stabilen Käfig zu klettern, der die Fahrgastzelle nach außen schützt, und auf einem weit hinten montierten Fahrersitz Platz zu nehmen. Die Lenksäule ist deutlich verlängert, am Armaturenbrett ist nur die Kontur als Mini-inspiriert zu erkennen. Ein Sechspunktgurt fixiert uns derart stramm am Sitz, dass ein Airbag überflüssig ist. Während der Fahrer ausgezeichnete Rundumsicht genießt – ein Vorteil gegenüber den konkurrierenden, erheblich flacheren Modellen -, ist der Beifahrersitz erheblich tiefer angebracht. Das ist eine Konzession, die zugunsten eines niedrigeren Schwerpunkts erbracht werden muss – doch der Beifahrer hat so kaum die Gelegenheit, dem Streckenverlauf zu folgen.

Die zentralen Bedienelemente sind griffgünstig positioniert – neben dem griffigen Wildleder-Lenkrad liegt der Schiebestock der sequentiellen Sechsgang-Schaltung. Zum Hochschalten wird der Hebel kurz herangezogen, zum Herunterschalten nach vorne gestoßen – in klassischer Renn-Logik, an der sich die Tiptronic-Automaten bei Porsche, Audi und anderswo permanent versündigen.

Zeit, Gas zu geben – und dazu animiert der 1,6-Liter-Turbo mit jeder Faser seines Wesens. Großzügig eingeschenkte 300 PS auf 1.200 Kilogramm ergeben ein hervorragendes Leistungsgewicht, und auch wenn die Beschleunigungswerte nicht gemessen wurden, so erscheinen unter 5 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h als realistischer Wert. Das Fahrwerk ist keineswegs knallhart abgestimmt, sondern lässt Karosseriebewegungen zu. Das muss auch so sein, denn der Mini soll ja auch nach einem Satz über die Kuppe relativ weich einfedern und die Kraft sofort wieder auf die Straße bringen.

Die bei herkömmlichen Autos üblichen Fahrhilfen sind in der WRC tabu. Gefährlich wird der Mini WRC dadurch nicht – im Gegenteil: Der Wagen lässt sich wunderbar leicht in einen Drift versetzen, der sich per Gasfuß exzellent kontrollieren lässt. Ein griffgünstig angebrachter Hebel für die Handbremse unterstützt dabei im Bedarfsfall. Serienautos können da nicht mithalten: Der Mini Cooper WRC schlägt sie in Sachen Fahrspaß und Kontrollierbarkeit fast alle.

Doch warum der Contryman? Sein hoher Schwerpunkt scheint dem sportlichen Ansatz eines Rallye-Autos zu widersprechen. Allerdings hätte der reguläre Dreitürer die geforderten vier Meter Länge weit verfehlt. Und auch beim Clubman hätte sich aufgrund des knappen Bauraums die Anpassung von Antrieb und Fahrwerk deutlich schwieriger gestaltet.

Tatsächlich ist die Entwicklungsarbeit weitgehend vom Rallye-Spezialisten Prodrive übernommen worden. Das britische Unternehmen hatte von 1990 bis 2008 Rallye-Autos für Subaru ausgebaut, bis die Japaner aus der Rallye-WM ausstiegen. Prodrive-Eigner David Richards wollte die geballte Expertise jedoch weiter nutzen – und erteilte seinen Ingenieuren den Auftrag, ein ideales Rallyeauto für das Reglement 2011 zu entwickeln. Nachdem die Parameter feststanden, sah man sich den Markt an und stellte fest, dass die Schnittmenge mit dem Mini Countryman ungewöhnlich groß war. Der entscheidende Kontakt kam über BMW-Vorstand Ian Robertson zustande, später übernahm Mini-Chef Kay Segler.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Übermäßig viel hat der Mini Cooper WRC nicht mehr mit einem gewöhnlichen Countryman gemein. Magna Steyr liefert die Rohkarosserie, BMW Motorsport den Motor, das Getriebe kommt von Xtrac, und der aufwendige Kabelbaum von Prodrive selbst. Immerhin basiert der Motor auf dem Mini-Serienaggregat – und damit ist beim wichtigsten Bauteil schon einmal die Brücke zur Serie geschlagen.

Schade, dass das Fahrvergnügen eines WRC-Autos den regulären Mini-, Citroën-, Ford- und VW-Kunden verwehrt bleibt. Trotzdem kann die Serie von der Verbindung nur profitieren. Die Kommunikation von Citroën hebt deutlich auf die Rallye-Erfolge des DS3 ab. Und auch Mini hätte es 44 Jahre nach der letzten Teilnahme an der Rallye Monte Carlo verdient, dass die Historie, vor allem aber die Zukunft der Marke in der WRC-Serie stärker beleuchtet werden.

Text: Spot Press Services/Jens Meiners
Fotos: MINI, SPS

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