Buchtipp der Woche

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Carlos Salem: Wir töten nicht jeden. Deutscher Taschenbuch Verlag; 8,95 Euro.

Damit wir uns richtig verstehen: Ich mache keine kläglicheFigur. Ich hebe mich nur in nichts vom Durchschnitt derBevölkerung ab. Dabei könnte ich durchaus attraktiv sein,wenn ich mich bloß etwas temperamentvoller präsentierenwürde, wie ein Mann voller Ambitionen, dem das Glückhold ist. Stattdessen stiere ich zu Boden wie ein Mondkalb,das keiner Fliege etwas zuleide tun kann.

Mein grauer Anzug ist noch nicht sonderlich abgenutzt –schließlich habe ich ihn erst ein Dutzend Mal angehabt –,doch wirkt er wie ich, irgendwie vorzeitig zerknautscht. Aufgeschreckt,weil das Töchterchen etwas in Papas Büro vergessenhat, bedenkt Supermami mich deshalb mit einem Blick,der mir zu verstehen geben soll, dass die Arbeit eines kleinenAngestellten längst nicht so ermüdend ist wie das, was eineso tolle Mutter wie sie alles leisten muss. Zwar kann ich nichtverstehen, was sie dem Geschäftsmann im dunkelblauenEinreiher zuflüstert, er schüttelt aber sofort zuvorkommendden Kopf und stoppt den Fahrstuhl mit einer kaum merklichen,gebieterischen Bewegung seines Zeigefingers.

Nach einem weiteren Knopfdruck fahren wir wieder nach oben.Er hat mich nicht um mein Einverständnis gebeten.Wozu auch.Ein Mann wie er bittet nie um etwas, er hat das nicht nötig,seine goldenen Ringe, die schwere Armbanduhr und dieSchlüssel eines Mercedes in seiner rechten Hand rechtfertigenjeden Alleingang. In der zwölften Etage steigen Supermami und Töchterchenwieder aus, nachdem sie dem Gentleman gedankt,mich hingegen völlig ignoriert haben.

Ein heißer Sommer, Ferienzeit, ein Pharmavertreter, der sich auf vier Wochen Strand mit seinen Kindern freut. Doch just vor der Abreise erklären ihm seine Chefs, dass sein Urlaubsziel stattdessen ein FKK-Campingplatz am Meer sei. Juan Pérez Pérez kann sich ihnen nicht widersetzen – denn er hat eine zweite Persönlichkeit, von der sonst niemand weiß: Er ist die Nummer 3 einer internationalen Killer-Organisation. Wie üblich gibt man ihm die Autonummer des Opfers. Das bringt den hochkarätigen Killer in die Bredouille: Es handelt sich um den Wagen seiner Ex, der Mutter seiner Kinder. Warum hat man sie im Visier? Oder soll ihr Lover sterben? Oder will man etwa ihn, die erfolgreiche Nummer 3, ausschalten?

Es gehört viel Talent und viel schräger Humor dazu, einem Stoff wie diesem noch eine gute Portion Komik abzugewinnen. Carlos Salem schafft das problemlos. Seine schillernde Biographie mag dazu beigetragen haben: 1959 in Buenos Aires geboren, arbeitete Carlos Salem nach dem Publizistikstudium für diverse Fernsehprogramme. Nebenbei jobbte er als Kellner, Taxifahrer, Buchhändler, Hotelportier, Werbegestalter, Radiosprecher, Drehbuchschreiber, Pizzabäcker und Vertreter für Mittel zur Kakerlakenbekämpfung.

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