Ford: 40 Jahre Granada

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Er sollte der Schrecken aller europäischen Premiummarken werden und die Fahrer von Mercedes-Benz, BMW und sogar Jaguar für Ford begeistern. Großvolumige Sechszylindermotoren, relativ aufwendige Fahrwerkstechnik, stattliche, fast schon opulent wirkende Karosserien und viel Ausstattung für wenig Geld sollten dem Granada Zugang verschaffen zum prestigereichen Club der feinen Businessclass. Für Familien und Vertreter gab es zunächst den schlichter ausgestatteten, aber ansonsten baugleichen Ford Consul. Eine Strategie, die so nicht aufging. Granada als klangvoller Name und Anzeigenmotive mit übergroß wirkenden Limousinen vor herrschaftlichen Häusern genügten nicht, um die automobile Massenmarke Ford in die Image-Spitzengruppe der Schlossallee-Bewohner im Monopoly des Marktes aufsteigen zu lassen.

Ein Meilenstein und Bestseller wurde der Granada aber dennoch: Mit ihm machte Ford erstmals Oberklassekomfort für viele erschwinglich und vor allem den Kombi endgültig gesellschaftsfähig. Der Granada Turnier galt als damals größter Familien- und Freizeittransporter, der es mit bis zu 110 kW/150 PS starken Sechszylinder-Kraftwerken auf der Autobahn sogar mit Statussymbolen wie Mercedes 280 S oder BMW 2500 aufnehmen konnte. Wirklich staatstragend wurde das Ford-Flaggschiff in Korea, wo der Granada ab 1978 von Hyundai als Repräsentationslimousine in Lizenz gefertigt wurde. In Europa verkaufte Ford von zwei Granada-Generationen bis 1985 über 1,6 Millionen Einheiten, dies vor allem mit V6-Motoren. Damit gilt der große Ford als bis dahin meistgebauter europäischer Sechszylinder-Pkw aller Zeiten. Eine entsprechende Ausnahmestellung errangen die kantig-konservativen Sechszylinder auch in der Klassiker- und Youngtimerszene, dort zählen sie längst zu den ultimativen Kultmobilen der 1970er- und 1980er-Jahre. Eine Position, an die der 1985 lancierte, aerodynamische Granada-Nachfolger Scorpio nicht anknüpfen konnte.

Ihren Anfang genommen hat die Geschichte von Consul und Granada im Jahr 1968. So wie zuvor bei Escort, Capri und Taunus/Cortina hatte die amerikanische Konzernzentrale auch die Fusion der neuen Spitzenmodelle verfügt. Nachfolger der Kölner Meisterstücke 17 M, 20 M und 26 M sowie der englischen Zwillinge Zephyr und Zodiac sollte eine einheitliche Baureihe werden, die sich mit großem Radstand von 2,77 Metern und amerikanisch üppig wirkendem Kleid aus der Feder von Designchef Uwe Bahnsen präsentierte. Damit sollten Consul und Granada nicht nur ins automobile Oberhaus Einlass finden, sondern auch gegen die europäische Mittelklasse des amerikanischen Erzrivalen General Motors (Opel Rekord/Commodore und Vauxhall Victor/Ventora) bestehen. Produziert wurden die großformatigen Volumenmodelle ab Dezember 1971 in Köln und Dagenham und dies in vier Karosseriekonzepten: Neben der viertürigen Limousine standen ein Kombi und eine zweitürige Fließhecklimousine zur Wahl, ein Jahr später folgte eine zweitürige Stufenhecklimousine. Das Motorenprogramm umfasste bis zu neun Triebwerke, darunter als Spitzenaggregat ein 3,0-Liter-V6 englischer Provenienz. Positive Presse- und Publikumsresonanz bewirkte nicht nur das üppige Raumangebot in den luxuriös ausstaffierten Mini-Straßenkreuzern, sondern auch das moderne Fahrwerk mit hinterer Schräglenkerachse. Die damals gigantische Summe von einer halben Milliarde Mark hatte sich Ford die Entwicklung der neuen Oberklasse kosten lassen. Eine Investition, die sich schnell amortisierte, denn bereits im ersten Jahr rollten über 100.000 Einheiten des eher volkstümlichen Consul und des fein ausstaffierten Granada allein aus den Kölner Werkshallen. Damit schockierte Ford in Deutschland nicht nur die Rüsselsheimer Konkurrenz, die fast zeitgleich die sachlich-nüchtern gezeichneten Modelle Rekord II und Commodore B lanciert hatte. Bis zu sechs Monate Lieferzeit kündeten vom enormen Anfangserfolg der neuen Sechszylinder-Klasse im Zeichen der Pflaume, die es in über 100 Ausstattungsvarianten gab.

Dann kam die Ernüchterung: Zuerst sorgte die nicht immer befriedigende Verarbeitungsqualität bei Consul und Granada für Enttäuschung bei den Kunden. Als Ford nachgebessert hatte, kündigten sich die Probleme der Ölkrise von 1973/74 an. Die extremen Benzinpreissteigerungen trafen die durstigen Sechszylinder deutlich mehr als Wettbewerber mit Vierzylindermotoren. 1974 verzeichnete Ford Köln einen dramatischen Produktionsrückgang um fast 40 Prozent. Neuen Schwung brachte erst eine Marketingkampagne, die der geniale Verkaufsstratege und Ford-Chef Bob Lutz im Jahr 1975 initiierte. Eine Garantiezeitverlängerung von sechs Monaten auf ein Jahr ohne Kilometer-Begrenzung war ebenso revolutionär wie eine deutlich erweiterte Grundausstattung aller Modelle und eine Flut an Sondermodellen. Zusätzlich wurden die schlichten Consul-Typen gestrichen, der Granada optisch und technisch überarbeitet und auch mit Vierzylindermotoren angeboten. Von der Sechszylinderfront gab es ebenfalls Neues zu vermelden: Ein sparsamerer 2,8-Liter-Einspritzer stellte ab 1976 den Leistungsträger. Schon zuvor, im Mai 1975 zogen die Ford-Verkäufe dank modifizierter Granada und neuer Escort-Generation so stark an, dass Opel vom angestammten zweiten Platz der deutschen Zulassungsstatistik verdrängt wurde und 1976 überschritt der Ford-Marktanteil in Deutschland sogar die 15-Prozent-Marke. 1977 feierten die Kölner schließlich das beste Verkaufsergebnis aller Zeiten – nicht zuletzt dank der Premiere einer neuen Granada-Generation.

Trotz deutlich gewachsener Abmessungen und gänzlich neuer Karosserie gab sich der Granada II betont unauffällig. Designchef Uwe Bahnsen hatte diesmal schlichte Formen entworfen mit klaren Linien und großen Fensterflächen. Ein Kleid von zeitloser Eleganz, das die Kunden begeisterte. Zu bescheidenen Entwicklungskosten von lediglich 88 Millionen hatte Ford sein Flaggschiff optisch runderneuert – bis auf den Turnier, der sich nur durch einen neuen Vorderwagen deutlich vom Vorgänger differenzierte. Dafür gab es unter dem Blech eine kleine Sensation: Den ersten Dieselmotor in einem Ford-Pkw. Der 2,1-Liter-Vierzylinder-Selbstzünder stammte aus dem Peugeot-Regal und sollte eine sparsame Alternative für Vielfahrer und das Taxigewerbe sein. Eine vergebliche Hoffnung der Ford-Vertriebsabteilung: Der laut nagelnde und nur 46 kW/63 PS starke Ölbrenner besetzte ebenso wie ein ab 1982 eingesetzter 2,5-Liter-Diesel nur eine Nischenrolle. Schlimmer: Weder die Selbstzünder noch neue, relativ sparsame Vierzylinder konnten den Absturz des Granada aus anfänglich fünfstelligen Monatszulassungen verhindern. Die zweite Energiepreiskrise machte den Limousinen mit Sechszylinderimage Anfang der 1980er Jahre zu schaffen, allein die noch immer fast konkurrenzlos großen und komfortablen Turnier-Versionen blieben bis zum Schluss Bestseller.

Vollkommen aus der Erfolgsspur geriet allerdings der 1985 präsentierte Nachfolger des Granada. Grund dafür war weniger die aerodynamische Formgebung des in Deutschland Scorpio und in Großbritannien weiterhin Granada genannten neuen Spitzenmodells als der vorläufige Verzicht auf den Kultkombi Turnier. Entsprechend gesucht waren von allen Fans die letzten Granada Turnier – daran hat sich bis heute nichts geändert.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom Archiv, Ford, SPS

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