Buchtipp der Woche

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Michael Göring: Der Seiltänzer. Hoffmann und Campe Verlag; 19,99 Euro.

Das hat Seltenheitswert – eine Jungenfreundschaft, die Jahrzehnte überdauert, bis die Jungens von früher um die 50 sind und eine Freundschaft pflegen, die mehr als einen Schicksalsschlag übersteht.

Im Mittelpunkt des ersten Romans von Michael Göring stehen Andreas und Thomas, deren Berufswege unterschiedlicher kaum sein könnten. Einen zieht es zur katholischen Kirche, den anderen in eine Hochschullaufbahn. Und während der eine in der besten Zeit seiner Laufbahn in einen Strudel von Mißbrauchsvorwürfen gerät, muss der andere sich mit akademischen Eitelkeiten von Kollegen herumplagen und ist von sich selbst enttäuscht, weil er seine Habilitation nicht abgeschlossen hat. Am (vorläufigen) Ende steht ein Herzinfarkt, und vorläufig ist nichts wichtiger als die Genesung.

Michael Göring hat viele Themen in Der Seiltänzer gepackt. Dadurch, dass er eine gerade, klare Sprache spricht und Pathos in jeder Form sehr vorsichtig dosiert, vermeidet er, dass der Roman überladen, gewaltsam konstruiert oder sogar peinlich wirken könnte. Die Karrieren seiner beiden Protagonisten schildert er bis ins Detail glaubhaft, was für eine sehr gründliche Recherche spricht. Ein Happy End gibt es nicht, aber eines, das eine gute Wendung für beide in Aussicht stellt. So ist Der Seiltänzer ein Buch, das man, einmal begonnen, nicht mehr aus der Hand legen mag – und über das man nach der Lektüre unversehens immer wieder nachdenkt.

Michael Göring, geboren 1956, ist seit 2005 Vorsitzender des Vorstandes der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius in Hamburg und Honorarprofessor der Forschungsstelle Stiftungswesen am Institut für Kultur-und Medienmanagement der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Nach verschiedenen anderen Veröffentlichungen ist Der Seiltänzer sein erster Roman.

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