Jürgen C. Braun: Mein Tagebuch der Tour de France (3)

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Liebe Leserin, lieber Leser,

auch wenn man seit noch so vielen Jahren bei der Tour dabei ist, erlebt man immer wieder Überraschungen. Mal sind sie positiver, mal negativer Art. Weil wir am Dienstagmorgen von unserem Hotel in Clermont-Ferrand aus noch etwa 130 Kilometer bis zum Start in Aurillac zurückzulegen hatten, und unser Navigationssystem für diese Fahrt, die größtenteils über die „Route nationale“ führte, zwei Stunden ausgerechnet hatte, machten wir uns in aller Frühe „auf die Socken.“ Schließlich ist die Zeit vor dem Etappen-Start entweder an den Teambussen oder im „Village“ die beste Gelegenheit, den einen oder anderen Fahrer oder einen sportlichen Leiter für ein paar „O-Töne“ abzufangen. Daraus sind schon die besten und interessantesten Geschichten entstanden.

Wir kamen etwa zweieinhalb Stunden vor dem Start gegen 10:30 Uhr im Etappen-Startort an. Diese in der Regel eher kleinen Städte sind dann bestens ausgeflaggt und weisen uns den Weg, ob wir vor oder nach dem Peloton losfahren wollen. Je nachdem, was wir geplant haben, werden dann Parkplätze ausgeschildert oder man kann in Straßen, die an diesem Tag komplett gesperrt sind, sein Auto einfach stehen lassen.

So waren wir auch am Dienstag guten Mutes, frühzeitig genug da zu sein, als uns in Aurillac ein Phänomen eine halbe Stunde Zeit kostete, das nur die Tour kennt. Der ganze Ort war gesperrt für den Aufbruch der sogenannten „caravane publicitaire.“ Das ist eine riesige Werbekarawane mit mehr als 100 bunten, dröhnenden Autos aller Größenordnungen mit phantastischen Aufbauten und Figuren, innerhalb derer die Sponsoren der Tour ihre Produkte bewerben können. Da tanzen dann ganze Disco-Horden junger Menschen in den verrücktesten Kostümen herum, werfen kleine Geschenke in das erwartungsfroh gestimmte Publikum am Straßenrand, das auf „le Tour“ wartet. Die „caravane“ gehört dazu. Seit Jahren und Jahrzehnten schon.

Es wäre einmal interessant zu ermitteln, welchen C02-Ausstoß die geschätzten 100 Fahrzeuge vom Renault Kangoo bis zum Renault-Truck Tag für Tag produzieren. Heraus käme jedenfalls ein erschreckender Wert. Aber die Franzosen lassen sich weder ihren Spaß an den Heroen auf den Rädern verderben, noch empfinden sie den lauten, aufdringlichen und schrillen Auftritt der Werbekarawane als unangemessen. Beides gehört einfach dazu. Und auch für die französische Auto-Industrie ist dieser bunte Teil der Frankreich-Rundfahrt eine einmalige Gelegenheit, einmal im Jahr drei Wochen lang vor geschätzten 15 Millionen Menschen am Straßenrand ihre rollenden Produkte zu produzieren.

Übrigens: Wir haben zwar am Dienstag eine halbe Stunde Zeit durch den Auftritt von „la publicitaire“ verloren, dabei sind aber auch ein paar farbenfrohe Bilder entstanden. Und zu unseren Geschichten mit Fahrern oder Trainern, Funktionären oder ehemaligen Radsport-Größen sind wir auch noch gekommen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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