Jürgen C. Braun: Mein Tagebuch der Tour de France (1)

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Wenn Sie ein regelmäßiger Besucher unserer Seite sind, dann werden Sie wissen, dass alljährlich zu dieser Zeit unser „Tagebuch der Tour de France“ aufgeschlagen wird. Das ist auch in diesem Jahr wieder der Fall, wenngleich mein Besuch beim größten Radrennen der Welt heuer etwas kürzer ausfallen wird als das seit vielen Jahren der Fall ist. Dennoch: ein Sommer ganz ohne Tour, ohne Frankreich, ohne Land und Leute, ohne das „Grand spectacle“, das ist ein Unding. Wie immer werde ich in den nächsten Tagen versuchen, auf den einzelnen Etappen eine Verbindung von der Frankreich-Rundfahrt hin zum Thema Automobil, ja zu Verkehr oder Mobilität im Allgemeinen zu schlagen. Dabei sollen natürlich auch persönliche Eindrücke und die eine oder andere Episode rund um die „grande boucle“, die Große Schleife, nicht zu kurz kommen.Da sich in diesem Jahr die letzte Woche der Tour mit den Etappenankünften auf den Alpenreisen zeitlich mit der Woche vor dem Großen Preis der Formel 1 auf dem Nürburgring „beißen“, entgehen uns – meinem schwäbischen Freund und Kollegen Klaus und mir – leider die letzten Tage vor der Zielankunft in Paris mit den „dicken Brocken“ Galibier oder Alpe d’Huez. Nach dem Start an der Atlantikküste vor einer Woche sind wir am Samstag aufgebrochen Richtung französisches Zentralmassiv. Über Mulhouse, Besancon und Lyon ging es in die Mitte Frankreichs, nahe Clermont-Ferrand und St. Etienne.

Leider machte sich an nämlichem Tage auch gefühlt die halbe Nation auf den Weg. Es war der erste Ferientag, die großen Automobilwerke wie Peugeot. Citroën und Renault schlossen ihre Werkstore für die Sommer-Wochen und dann hat der Franzose nichts Eiligeres zu tun, als seine Siebensachen für den Sommerurlaub zu packen und sich auf den Weg Richtung Meer zu machen. Was in unserem Falle hieß: Die „Autoroute du soleil“, die Autobahn, die quer durch das Land von Norden nach Süden führt, war ein ziemlich wirrer Blechhaufen, dessen elementare Bestandteile in Form Zehntausender einzelner Autos sich Richtung Cote d’Azur wälzten.

Obwohl uns von unserem ersten Etappenziel Super-Besse in der Auvergne eigentlich eine Ost-West-Passage vorgegeben war, blieb uns ein schier endloses Stück auf der A6 von Dijon Richtung Lyon nicht erspart. Der Franzose, der die eigenen Autobahnen wegen der nicht gerade preiswerten Maut nur im äußersten Notfall nutzt, fügt sich an solchen Tagen in sein unausweichliches Schicksal als „lÀutomobiliste“. Während französische Autobahnen in der Regel mit der Richtgeschwindigkeit 130 km/g stau- und stressfrei bewältigt werden können, herrscht am Tag des „Grand dèpart“, des „großen Aufbruchs der Ausnahmezustand in der Nation. Es scheint, als sie ganz Frankreich „en route“. Aber ohne Hektik, Schimpfen und Hupen sondern mit Gott gegebener Gelassenheit, weil ein jeder weiß, was auf ihn zukommt an diesem Tag.“

Nach etwas mehr als zehn Stunden war dann schließlich Super-Besse, ein kleiner Ski-Ort im schmucklosen Zentralmassiv erreicht. Frankreich hat wunderschöne Plätze, sonnige und eher karge, fast schon feindselige Küstenstriche am Mittelmeer oder am Atlantik. Die majestätischen Seealpen, die wilde Camargue, das fruchtbare Rhone-Tal, die unvergleichliche blühende Provence. Schlösser und Burgen im Überfluss. In der Auvergne inmitten der Nation erfasst das Auge dagegen nur kahles, nichts sagendes Mittelgebirge. Die kleinen Orte meist ohne jenen besonderen Charme, der den „villes fleuris“, den Blumen geschmückten Dörfern und Gemeinden eigen ist. Dass an diesem Tage der Himmel voller schwer, nasser, grauer Wolken hing, passte zum ersten Gesamteindruck. Dennoch finden sich auch hier, wenn man etwas genauer hinschaut, viele wunderschöne Schätze gotischer Baumeisters-Kunst.

Frankreich empfing uns nicht gerade mit offenen Armen am ersten Tag. Aber egal. Hauptsache Frankreich. Auch die weniger schönen Seiten gehören zum Land. Und deshalb sagen auch wir wie seit vielen Jahren: „vive le Tour“ – „Es lebe die Tour“.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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