Jensen Interceptor: Eine Spurensuche

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Kaum einer kennt ihn, und trotzdem sticht er auf Oldtimertreffen alle anderen Sportwagenklassiker aus. Denn der Jensen Interceptor zählt zu den exklusivsten Exoten der an Skurrilitäten nicht eben armen englischen Automobilgeschichte.

In drei Generationen und zehn Jahren von 1966 bis 1976 nur rund 6.500 Mal gebaut, wollten die Briten mit diesem „Abfangjäger“ vor allem gegen Erfolgsmodelle wie den Jaguar E-Type und Traumwagen wie den Aston Martin V8 antreten – zu einem stattlichen Preis. Immerhin kostete der Interceptor III 1975 rund doppelt so viel wie ein Porsche 911. Während es Jaguar und Aston Martin allerdings noch heute gibt und beide Modelle im Klassiker-Quartett wie bei Oldtimer-Rallyes vergleichsweise präsent sind, hat das 1936 gegründete Unternehmen aus West Bromwich gerade einmal 40 Jahre überlebt und schon 1976 Pleite gemacht.

Für das kollektive PS-Gedächtnis hat es deshalb kaum gereicht. Und dass Stars wie Frank Sinatra, Gregory Peck, Keith Richards oder Tony Curtis mit dem Interceptor über den Hollywood-Boulevard und die Leinwand gefahren sind, wissen allenfalls noch die Senioren unter den Bravo-Lesern. Doch eine ebenso kleine wie eingeschworene Gemeinde rund um die Welt hält dem Jensen die Treue und pflegt die mehr als 5.000 Exemplare, die dem Zahn der Zeit ihr Blech verwehrt haben. Selbst in Deutschland, wohin offiziell nur 61 Fahrzeuge geliefert wurden, schätzen die Fans den Bestand auf mittlerweile deutlich mehr als 100 Fahrzeuge.

Deren Besitzer sind gerade ziemlich aufgeregt. Denn – fast muss man sagen: Wieder einmal – steht ein Comeback des Interceptor ins Haus. Die Jensen Automotive International wirbt gerade mit einem Interceptor R, vom dem 15 Stück im Jahr entstehen sollen. Dabei handelt es sich allerdings nicht wirklich um ein neues Auto. Sondern die Nachlassverwalter kaufen alte Abfangjäger auf und versprechen für rund 100.000 Euro eine gründliche Modernisierung: Dann gibt es nicht nur neue Achsen, neue Bremsen und eine neue Automatik, sondern vor allem einen neuen Motor. Den V8 aus der Corvette mit 316 kW/429 PS. Damit soll der Interceptor in weniger als fünf Sekunden auf Tempo 100 kommen und letztendlich gut 260 km/h schaffen.

Das sind zwar verlockende Aussichten, doch Sammler wie Peter Schmidt aus Südhessen beobachten den wiederholten Comeback-Versuch mit allenfalls distanziertem Interesse. Warum sollte er sich auch über einen neuen Wagen Gedanken machen? Sein 1972er Interceptor aus der Serie III läuft ja fast noch wie am ersten Tag.

Und über einen zu kleinen Motor kann er auch nicht klagen. Zwar hat sein Antrieb nur 209 kW/284 PS. Doch weil Jensen schon immer US-Aggregate eingebaut hat, bollert unter der Haube seines blauen Schmuckstücks ein V8 mit stolzen 7,2 Litern Hubraum. Der hat nicht nur einen wundervollen Klang. Wenn’s sein muss, macht er auch ordentlich Dampf: Zu seinen besten Zeiten stürmte der Abfangjäger in weniger als sieben Sekunden auf 100 Sachen und brachte es immerhin auf runde 230 km/h – in den Siebzigern war das nicht schlecht.

Neben dem an seiner ungewöhnlich großen Glaskuppel zu erkennenden Saloon wie ihn Schmidt fährt, gab es vom Interceptor in der dritten Generation von 1971 bis 1976 noch zwei weitere Karosserievarianten: Vor allem für den US-Markt haben die Briten ein ziemlich opulentes, viersitziges Cabrio entworfen, das ein wenig an einen aufgeblasenen Mustang erinnert.

Und dann sollte es als Gegenstück zum rollenden Wintergarten des Saloon noch ein Coupé geben, von dem aber kaum jemand ein Bild vor Augen hat – schließlich wurden davon nur etwa 50 Exemplare gebaut. Aber auch das Cabrio ist eine Seltenheit, vor allem in unseren Breiten: Denn insgesamt wurden nur rund 500 offene Interceptor auf die Räder gestellt, und lediglich ein einziges offiziell nach Deutschland verkauft.

Dass es der Jensen mit dem technologischen Update in England jetzt noch einmal in die Schlagzeilen geschafft hat, ist Peter Schmidt natürlich sehr recht. Doch dass die Briten nun Oldtimer aufkaufen und mit moderner Technik nachrüsten, hat für ihn einen schalen Beigeschmack: „Das ist doch nicht mehr authentisch, ich lasse mich ja auch nicht liften, sondern stehe zu meinem Alter und dem, was ich erlebt habe“, distanziert sich der Sammler.

Aber das ist nicht der einzige Grund für seine Skepsis. Schmidt hat in den gut 30 Jahren seit der Pleite einfach zu viele erfolglose Wiederbelebungsversuche für die Marke erlebt, als dass er sich jetzt große Hoffnungen machen würde: „Vielleicht wäre es besser, wenn man Jensen jetzt einfach mal in Ruhe lassen würde.“

Text und Fotos: Spot Press Services/Benjamin Bessinger

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