Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Sind Sie eigentlich jemand, der sich von nostalgischen, also eher wehmütigen, Erinnerungen an vergangene Zeiten beeinflussen und vielleicht auch etwas irritieren lässt? Oder sind Sie eher der pragmatische Typ, der sich mit dem Status Quo auseinander setzt? Wenn sich Sie sich zur erstgenannten Variante bekennen, dann dürfte Ihnen die Diskussion um die mögliche Wiedereinführung der Autokennzeichen, die im Zuge der Kommunalreform vor einigen Jahrzehnten abgeschafft wurden, sicherlich bekannt sein. Zurzeit, also auch in der vergangenen Woche, melden sich Gegner und Befürworter dieser verkehrstechnischen „Rolle rückwärts“ gleichermaßen in Verlautbarungen und Pressemitteilungen, in denen sie auf Ihr Ansinnen und dessen Berechtigung verweisen.

In Zeiten weltweiter Vernetzung und fortschreitender Globalisierung ist alleine schon der Gedanke an die Wiedereinführung der längst „historisch verstaubten“ Kennzeichen eine Art personifizierter Lokalpatriotismus. Was zunächst als eine Art Spleen ewig Gestriger abgetan wurde, nimmt jetzt allmählich greifbare Formen an. Die Verkehrsminister der Länder stimmten auf ihrer Konferenz einem Vorschlag Sachsens und Thüringens zu. Dieses Papier sieht vor, die derzeit bestehenden Vorschriften zu lockern. Die Initiatoren sehen darin eine Möglichkeit, praktizierte Heimatverbundenheit mit Hilfe des Autos zu demonstrieren. Sie spekulieren möglicherweise auch darauf, den Verlustschmerz mancher Gebietsreform nachhaltig zu lindern.

Über die Retro-Kennzeichen wird bereits seit Längerem diskutiert. In der vergangenen Woche aber ward der Ruf nach der „guten alten Zeit“ auch in den Nachrichtenagenturen, und damit in den Redaktionsstuben, besonders nachhaltig. Wie sehr sich das Thema mittlerweile in der Öffentlichkeit breit gemacht hat, zeigt auch die Tatsache, dass es bereits statistische Erhebungen dazu gibt. Mit derlei Ziffernmaterial ist man ja hierzulande immer recht schnell bei der Sache. Die Hochschule Heilbronn hat dazu bereits eine Studie der „Initiative Kennzeichenliberalisierung“ in Auftrag gegeben. Nach deren vorläufigem Ergebnis wünschen sich 73 Prozent der Bundesbürger ihre alten Autokennzeichen zurück.

Vielleicht, liebe Leserinnen und Leser, denken Sie, ich sollte jetzt auch mal meinen persönlichen Standpunkt zu dieser Absichtserklärung abgeben, nachdem ich lange genug drum herum geredet habe. Ich bin der Meinung, dass man seine persönliche Verbundenheit zu Herkunft und Heimat nicht mit einem Buchstaben mehr oder weniger auf dem Nummernschild (so sagt man bei uns zu Hause im Hochwald zu den Autokennzeichen) dokumentieren kann. Seit der kommunalen Gebietsreform 1969 ist in meiner heimatlichen Region das ursprüngliche SAB für Saarburg durch ein TR für Trier ersetzt worden. Das ist jetzt 42 Jahre her, und wenn Sie mich fragen ist das gut so, und dabei sollten wir es auch belassen.

Denn wenn man dem deutschen Amtsschimmel die Möglichkeit gibt, aus der Koppel auszubrechen und das Wiehern wieder zu beginnen, ist dies wahrscheinlich nur mit der Hilfe von viel Zeit, Personal und Geld zu bewerkstelligen. Ich denke, ehe aus der vielleicht gut gemeinten Aktion einiger heimatverbundener Autofahrer/innen eine satirische Eulenspiegelei wird, sollten wir es lieber so belassen, wie es ist. Es gibt bestimmt genügend aktuelle Problematik, derer man sich annehmen sollte, ehe Zeit und Energie darauf verschwendet wird, ein solches Projekt zu initiieren, das möglicherweise doch wieder in der ministeriellen Schublade eines Büros verschwindet.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Es soll wieder recht sonnig werden. Setzen Sie sich in Ihr Auto, in das mit den aktuellen Kennzeichen, und genießen Sie den Frühling.

Ihr Jürgen C. Braun

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