Formel 1 – Auftakt 2011: Nick Heidfeld greift wieder an

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Im Mai dieses Jahres wird Nick Heidfeld 34 Jahre alt. Er ist dreifacher Familienvater, hat ein wunderschönes Domizil in der Schweiz, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Patricia eine Familie, die ihn stützt und ihm alles bedeutet. Und seit kurzer Zeit hat er auch wieder einen Platz in einem Formel-1-Cockpit. Den hatte er im vergangenen Jahr zwar auch, aber meist nur, wenn keiner hinschaute. Dann nämlich, wenn keine Rennen gefahren wurden. Der Rheinländer war, abgesehen von einem kurzen Intermezzo bei Sauber, 2010 der Backup-Mann bei Mercedes GP. Er war der „Ghostdriver“ für den Fall, dass den Stammpiloten Michael Schumacher oder Nico Rosberg ein Ungemach widerfahren sollte. Ende des Jahres stellte Mercedes ihn frei, um den Reifenhersteller der neuen F1-Saison, Pirelli, bei dessen Entwicklung der neuen Pneus zu unterstützen.

Jetzt darf „Quick Nick“ wieder mittun, wenn es ab dem kommenden Wochenende in Australien wieder um „die Wurst“ in der Formel 1 geht: Beim Qualifying, beim Auto abstimmen, beim Rennen. Und beim Punkte sammeln. Und das nicht, weil sich der leise, immer zurück haltende und loyale Mann mit dem markanten Bart irgendwo mit tösendem Getue eingebracht hätte. Sondern einfach, weil ein anderer Pech hatte und Nick noch immer als das gilt, was er schon vor 15 Jahren war: ein riesiges Talent. Auch mit fast 34.

Bei Renault ersetzt Heidfeld den Mann, dem – paradox in diesem Metier – seine Liebe zum schnellen Automobil zum (zeitlich begrenzten) Verhängnis wurde. Bei einer „Brot-und-Butter-Rallye“ in Italien verletzte sich der Pole Robert Kubica Anfang Februar bei einem spektakulären Unfall schwer. Die Fragmente seines Knochengerüstes taugten danach zum Puzzle spielen. Bevor Kubica wieder ans fahren denken kann, muss er erst wieder laufen lernen. Und damit hat Polens aktueller „Sportler des Jahres“ (noch vor Skispringer Adam Malysz) schon genug zu tun.

172 Formel-1-Rennen hat Heidfeld, der 2000 bei Alain Prost seine Formel-1-Karriere begann, bestritten. Zu einem Sieg hat es nie gereicht. Wohl zu acht zweiten Plätzen und einer Pole-Position auf dem Nürburgring. Dass er jetzt ausgerechnet den Mann beerbt, mit dem er drei Jahre lang gemeinsam für BMW in der „Königsklasse“ an den Start ging, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Beim „Großen Preis von Kanada“ in Montreal vor drei Jahren stand Heidfeld vor seinem ersten Sieg, weil er deutlich schneller war als der führende Kubica. Den aber durfte er laut der eigentlich verbotenen Teamorder nicht überholen.

Nach glänzenden Test-Ergebnissen ersetzt Heidfeld nun den Polen, der sich erst gegen einen Baum und dann ins Aus gefahren hat. Wie immer vollzieht sich der (Wieder)einstieg der „Personalie Heidfeld“ ziemlich lautlos. Dafür aber mit seriösem, nachvollziehbarem, Hintergrund. „Ich wäre gerne unter anderen Umständen zurückgekehrt. Aber ich bin stolz, dass ich diese Chance erhalte“, lässt Heidfeld, der bei Renault ein Team mit dem Russen Witali Petrow bilden wird, verlauten.

Man habe den Deutschen verpflichtet, weil er „das Auto versteht und ein sehr starkes technisches Feedback gibt“, ließ dessen neuer Arbeitgeber durch Teamchef Eric Boullier verlauten. Es ist wie fast (immer) bei Heidfeld, der nie verleugnet hat, einmal ganz oben auf dem Treppchen stehen zu wollen. Nicht nach einem Rennen, sondern nach einer kompletten Saison, versteht sich. Doch der Mann, der so gefühlvoll und schnell zugleich zu fahren versteht, hat immer zur falschen Zeit im falschen Auto gesessen: Prost-Peugeot, Jordan, Sauber, Williams, BMW: da, wo „die Musik gemacht wurde“, war der Mönchengladbacher nur selten dabei. Und dabei galt er doch als riesiges Talent. So wie mit fast 34 noch.

Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Renault, Jürgen C. Braun

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