Saab: 25 Jahre Cabrio „900“

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Eigentlich sollte er nur den Absatz der alternden Saab 900-Baureihe beleben, doch dann befreite der erste offene Viersitzer aus Trollhättan die familientauglichen Cabriolets vom hässlichen Überrollbügel und entwickelte sich zu einem weltweiten Bestseller. Zum Erfolgsgeheimnis des auf liebenswerte Weise schrullig gezeichneten ersten viersitzigen Saab Cabriolet zählten außergewöhnliche Solidität, Sicherheitsinnovationen, starke Turbomotoren und schneeresistente Stoffverdecke. Eigenschaften, die den kühl wirkenden Nordmann zum vermeintlich ersten ganzjahrestauglichen Sonnenkönig auf amerikanischen Highways machten. So konnten weder hohe Preise noch lange Lieferzeiten die Kunden abschrecken, als vor genau 25 Jahren die ersten Saab 900 Cabriolets in die Schauräume amerikanischer Händler rollten. Ein regelrechter Bestellsturm machte aus einer anfänglich auf 400 Einheiten limitierten Sonderserie für Saab-Enthusiasten einen globalen Erfolg. Heute, über 270.000 Fahrzeuge und drei Modell-Generationen später, hat der offene Schwede längst den Status eines Kultautomobils erreicht, das die dahinsiechende Marke Saab bis zur Übernahme durch den niederländischen Sportwagenhersteller Spyker am Leben erhielt und auf dem Genfer Salon 2012 als erstes völlig neues Modell der Spyker-Ära an den Start gehen soll.

Begonnen hatte die Geschichte des ersten viersitzigen Frischluftautomobils im Zeichen des nordischen Greifs schon 1983. Auf der Frankfurter Internationalen Automobilausstellung überraschte Saab Publikum und Fachwelt mit einer seriennahen, bügelfreien Cabrio-Studie auf Basis der 900-Baureihe – ein damals in Europa ausgestorbenes Fahrzeugkonzept im Premiumsegment. Gleich zwei Karossiers hatten sich um die Realisierung der Open-Air-Studie beworben: Leif Mellberg aus dem schwedischen Nyköping versah das 900 CombiCoupé mit einer damals modischen Targa-Dach-Konstruktion, während die American Sunroof Corporation (ASC) den 900 Sedan öffnete und mit einem konventionellen Stoffverdeck ausstattete. Zum umjubelten IAA-Debütanten mutierte schließlich der ASC-Entwurf. Erste Rivalen hatte das Saab Cabriolet allerdings bereits vor der Markteinführung: BMW enthüllte auf der IAA 1985 sein 325i Cabriolet und Chrysler präsentierte wenig später das neue Le Baron Convertible, zwei Bestseller, die schnell in Serie gingen. Saab dagegen hatte seit der Vorstellung des ASC-Convertible-Prototyps zwei Jahre verstreichen lassen. Wie so oft in der Geschichte großer europäischer Marken war es ein Anruf aus Amerika, der die Serienfertigung eines neuen emotionalen Automobils in Bewegung brachte.

Bob Sinclair, CEO von Saab USA, vermisste auf den Parkplätzen rund um den Firmensitz in New Jersey die klassischen, von Amerikanern seit jeher so geliebten geräumigen Cabriolets. Gleichzeitig erinnerte sich Sinclair an die als „Dreamcar“ präsentierte Saab 900-Studie, die mit ihrer umfassenden Sicherheitsausstattung und ganzjahrestauglichen Dachkonstruktion alle traditionellen Vorurteile gegen Cabrios ausräumte. Wichtiger noch: Mit dem ersten viersitzigen Open-Air-Star aus dem hohen Norden konnte Sinclair seinen Lagerbestand an 900 Sedans abbauen. So bestellte er insgesamt 400 Convertible-Umbauten bei ASC, der Auslöser für einen noch nie da gewesenen Open-Air-Boom. Als zur Jahreswende 1985/86 die ersten Saab 900 Convertibles an Händler ausgeliefert wurden, placierten die enthusiastischen Kunden bereits Bestellungen für die Modelljahrgänge 1989 und 1990 – in der verzweifelten Hoffnung, dass der rare Frischluft-Wikinger fester Bestandteil des Saab-Programms würde. In Einzelfällen wurden fällige Kaufverträge zum doppelten Listenpreis weiterveräußert, einen derartigen Hype löste nicht einmal der 1989 eingeführte Mazda MX-5 aus.

Dabei war das skandinavische Faltdach-Modell alles andere als preiswert. So startete die Preisliste bei dem ab Mitte 1986 auch in Deutschland erhältlichen 900 turbo 16 Cabriolet mit Katalysator bei 66.100 Mark, das BMW 325i Cabriolet mit Katalysator und prestigeträchtigem Sechszylinder war dagegen fast 20.000 Mark billiger. Dennoch machte der offene Saab mit markantem schwarzem „Kragen“ um den Verdeckkasten in Deutschland zeitweise sogar die Hälfte aller Verkäufe der Marke aus Trollhättan aus. Und in einigen europäischen Märkten eroberte der luftige Nordmann im Segment der viersitzigen Cabriolets über 50 Prozent Marktanteil. Derweil avancierte der Saab in Hollywood zum Kultmobil von Stars und Sternchen und in New York zum Favoriten der 80er-Jahre-Yuppies.

Im Unterschied zu den Wettbewerbern glänzte der Saab mit einem serienmäßig elektrischen, dreilagigen Faltdach mit einer stabilen Glas-Heckscheibe anstelle des sonst üblichen Fensters aus Kunststoff. Die außergewöhnliche leistungsstarke Fahrzeugheizung ermutigte zudem zum Genuss offenen Fahrens selbst bei kühleren Temperaturen. Zusammen mit dem damals beachtliche 129 kW/175 PS entwickelnden Zwei-Liter-Turbo-Triebwerk und einer ungewöhnlich verwindungssteifen, massiven Karosseriestruktur war dies die Basis für Triumph des schnellen Schweden über die preiswertere Konkurrenz in Vergleichstests der zeitgenössischen Fachpresse. Produziert hat die Saab Cabriolets der Jahrgänge 1986 bis 2003 der finnische Zulieferer Valmet Automotive im Werk Uusikaupunki, nicht zuletzt, weil die Kapazitäten von ASC rasch überschritten wurden. Mit Einführung der aktuellen 9-3-Generation wurde die Fertigung im Sommer 2003 zu Magna Steyr nach Graz verlegt. Erst nach den weltweiten dramatischen Absatzeinbrüchen bei fast allen Saab-Modellen wurde die Produktion des vielleicht wichtigsten Imageträgers für Saab ins Stammwerk Trollhättan verlegt.

Obwohl die völlig neue zweite Generation der Baureihe 900 bereits im Herbst 1993 eingeführt wurde, erfolgte die Wachablösung des Cabriolets erst ein Jahr später. Für viele Fans der Marke immer noch zu früh. Denn der 900 basierte nun auf einer GM-Architektur, die er mit dem Opel Vectra teilte. Werbeslogans wie „Wir haben das Cabrio nicht erfunden, aber wir haben einen Saab aus ihm gemacht!“ änderten nichts daran, dass es der neue offene Viersitzer bei Qualität und Zuverlässigkeit anfangs nicht mit dem Vorgänger aufnehmen konnte, dem die Kunden auch nach 250.000 Kilometern kaum Ermüdungserscheinungen nachsagten. Dagegen sorgten beim Neuen vor allem der anfällige Antriebsstrang und die zu schwache Heizung für Missfallen bei Kunden und Händlern. Erst nach mehreren Modellpflegemaßnahmen, zu denen 1998 auch die Umbenennung des Saab 900 in Saab 9-3 zählte, konnte das gefälliger, aber weniger eigenständig gezeichnete Cabriolet dauerhaften Respekt und Anerkennung in der Open-Air-Szene gewinnen. Den Rang eines Kultmobils erreichte die zweite Auflage des Faltdach-Schweden aber nicht. Daran konnten auch ein V-6-Motor, der erste Diesel in einem Saab und neue Rekordverkaufszahlen nichts ändern.

Vielleicht gelingt dies eines Tages der dritten Saab-Cabriolet-Generation, die 2003 lanciert wurde. Mit dem Titel des weltweit ersten Stoff-Faltverdeck-Modells, das die Bestnote von fünf Sternen im EuroNCAP-Crashtest erhielt, alternativen Ethanolantrieben, starken Turbos und unverwechselbaren Formen sorgte der aktuelle 9-3 für frischen Wind in den Verkaufszahlen der stets etwas anderen schwedischen Marke.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: SPS/autodrom archiv

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