Barbara Rütting: Wo bitte geht's ins Paradies? Burnout einer Abgeordneten und Neuanfang.
Herbig Verlag; 19,95 Euro.
Sie hat sich nicht wenig anhören müssen in den letzten 40 Jahren: Mal wurde Barbara Rütting verspottet als Schauspielerin, die nach altersbedingt ausbleibenden Rollenangeboten nun eben die Ökokost für sich entdeckt habe, dann wieder als Fundamentalistin, die am liebsten die ganz Welt auf Körner und Kokolores einschwören würde. Dabei hat gerade sie mit ihren Kochbüchern, die längst Klassiker sind, die vegetarischen Kostformen vom Ruf des Darbens-Um-Der-Gesundheit-Willen befreit und den Verzicht auf Fleisch wirklich salonfähig gemacht.
2003 hat sie sich, 75-jährig, darauf eingelassen, Berufspolitikerin zu werden und sich 2009 zurückgezogen. Über die sechs Jahre schreibt sie in ihrem neuen Buch. Und einmal mehr wird deutlich, worum es Barbara Rütting geht – zum Beispiel darum, dass nicht Fleisch gegessen wird um den Preis einer schon dramatischen Minderwertigkeit. Um angemessene Bedingungen in der Tierhaltung. Von missionarischem Denken oder blindwütigem Eifer keine Spur.
Über sechs Jahre politischer Arbeit zieht die heute 82-Jährige eine Bilanz, die sich von vielen vergleichbaren Büchern unterscheidet. Weil von Überzeugungsarbeit die Rede ist, von Rückschlägen, vom Alltag in der parlamentarischen Politik, der längst nicht nur aus glanzvollen Auftritten und überragenden Erfolgen besteht. Manchmal schwingt Mutlosigkeit mit und Resignation, immer wieder wird aber deutlich, wie ernst sie ihr Mandat als gewählte Persönlichkeit nahm. Da ist von Überzeugungsarbeit die Rede, von abgelehnten Anträgen, aber auch von Zuspruch und Ermutigung. Es hält sich die Waage und zielt nicht auf Verklärung oder gar Eigenlob ab. So nimmt sie, die nach dem Rückzug aus der Politik in den Spessart gezogen ist, eine Seite der Politik in den Blick, von der bisher eher wenig bis gar nichts zu lesen war.