Nachruf – Mirjam Pressler

Manchmal könne man einem Kind keinen anderen Rat geben, als möglichst schnell erwachsen zu werden. Für diesen unmissverständlichen Satz hat Mirjam Pressler viel Zustimmung, aber auch viel Kritik geerntet. In einem Interview zum 75. Geburtstag hat die Schriftstellerin und Übersetzerin ihn sogar nochmals bekräftigt.

Erst mit 40 Jahren hatte sie zu schreiben begonnen. Gleich ihr erstes Buch „Bitterschokolade“ machte Furore – es geht um Essstörungen im Kindes- und Jugendalter. Das war 1980, und wiewohl realistische Themen in der Jugendliteratur damals sehr en vogue waren, leistete sich Mirjam Pressler da einen Tabubruch. Der wurde preisgekrönt und machte die Debütantin mit einem Schlag bekannt.

„Novemberkatzen“, um ein weiteres ihrer bekanntesten Bücher zu nennen, ist bis heute ein Ausnahmebuch geblieben – über die Notwendigkeit, sich als Kind aus Verhältnissen zu befreien, die man nicht ändern kann. Die Welt in den Büchern von Mirjam Pressler ist nicht heil. Sie schöpfte für diese Bücher aus eigenen Erfahrungen. Und die gaben eine Menge her – als allein erziehende Mutter, Besitzerin eines Jeans-Ladens, Taxifahrerin … oft genug sei sie erst nachts zum Schreiben gekommen, hat sie einmal gesagt.

Rund 60 Bücher hat sie geschrieben – und das Fünffache davon übersetzt, darunter viele Werke des kürzlich verstorbenen Amos Oz und natürlich das Tagebuch der Anne Frank. Ihr letztes Buch muss nun posthum erscheinen, und es wird wohl besonders eindringlich schildern, was Mirjam Pressler zeitlebens ein zentrales Anliegen war: Zeigen, dass die Welt nicht in Ordnung ist, die Menschen sich aber genau dafür anstrengen müssten, dass sie besser wird. Verbittert sei sie nicht, hat sie gesagt, nur machten ihr manche Entwicklungen Angst. Auch da mag die eigene Biographie prägend für die Haltung gewesen sein.

Am 16. Januar 2019 ist Mirjam Pressler 78-jährig den Folgen einer langen, schweren Erkrankung erlegen.

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