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Wer heutzutage vom Nachweis seiner Fahrerlaubnis als „Lappen“ spricht, der gehört meist einer nicht mehr ganz so jungen Generation an. Denn das gute, tuchähnliche graue Stück gehört im Zeitalter der elektronischen Kartenwelt längst der Vergangenheit an und trägt bestenfalls noch das wehende Mäntelchen der Nostalgie ein wenig spazieren. Auch die mit drei unterschiedlichen Bezeichnungen etwas übersichtlich gestaltete Klassifizierung, wer denn nun was und ab wann fahren durfte, ist längst einem wirren Zahlen- und Buchstabensalat gewichen.
Wer, so wie ich, seinen mit viel Angstschweiß und mindestens ebenso vielen vergeblichen Einpark-Versuchen erworbenen Lappen jedoch ein Leben lang gehegt und gepflegt hat, der hat mit Interesse auch die Nachricht gelesen, die Anfang der Woche in die Redaktionsstuben flatterte. Da ging es darum, wo in Deutschland der Führerscheinerwerb am teuersten und wo er am preiswertesten war. Eine Fahrerlaubnis der Klasse B (früher war das der „Dreier“) koste in Deutschland inzwischen im Schnitt 1.337 Euro, hatten kluge Statistiker herausgefunden. Am besten hätten es Teilnehmer einer Fahrschule in Sachsen-Anhalt, wo man die begehrte Lizenz schon für 800 Euro fast „nachgeworfen“ bekam. Am teuersten waren die sparsamen Schwaben. Ausgerechnet im „Ländle“, im schwäbischen Merklingen, mussten die Fahrschüler bis zu 2.000 Euro auf den Tisch legen.
Ein jeder von uns reflektiert da wohl unwillkürlich und denkt: „Was habe ich denn damals für meinen Führerschein bezahlt?“ Den Preis, den ich damals im olympischen Jahr 1972 hinblättern musste, weiß ich noch genau, weil es sich um eine leicht zu merkende Summe handelte. Da mein Heimatort eine Kleinstadt im Westen der Republik mit damals ganzen 5.000 Einwohnern war, mussten mangels Autobahn keine Autobahnstunden absolviert werden. Und die einzige Nachtstunde wurde meist dazu verwandt – heute kann ich das ja sagen – um zum Tanken und Zigaretten kaufen nach Luxemburg zu fahren. So kam denn inklusive der Anmelde- und Prüfgebühren die stattliche Summe von 399 Deutschen Mark zustande.
Was auch damit zu tun hatte, dass der Fahrlehrer nach zehn Minuten der ersten Fahrstunde mit leicht geneigtem Kopf und gerunzelter Stirn fragte: „Na Herr Braun, seit wann fahren wir denn schon heimlich schwarz?“ Nun ist der Wert eines solchen Papiers nicht unbedingt an seinem Preis auszumachen und ein Führerschein von umgerechnet 200 Euro sagte damals wie heute bei einem Lappen für den zehnfachen Preis wenig über die Fahrkünste oder Verkehrsverständnis seines Besitzers aus.
Entscheidend war immer, was man mit seiner Lizenz anstellte. Und ob man sich auch nach Wochen und Monaten als neuer Verkehrsteilnehmer immer noch als Lernender unter Gelehrten begriff. Wobei es so viele „Gelehrte“ auch zu meiner Zeit nicht gab im Straßenverkehr. Das Aufkommen an Automobilen, deren Qualität und Schnelligkeit, aber auch deren Sicherheitssystem sind heute ebenso höher geworden, wie das Straßennetz peu á peu erweitert wurde. Erst recht nach der politischen Wende 1989/1990. Und der Name Führerschein hat nicht nur etwas mit „fahren“, sondern auch mit „Führung“ zu tun. Also mit guter oder schlechter Führung.
Dessen sollten sich auch unsere Jungspunde bewusst sein, wenn sie heute, triumphierend ihre Plastikkarte schwenkend, am Prüfungstag die Schule verlassen. Sie haben die Lizenz, alleine weiter lernen zu dürfen. Mehr (noch) nicht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun