Buchtipp der Woche

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Florian Werner: Die Kuh. Leben, Werk und Wirkung. Verlag Nagel und Kimche; 19,90 Euro.

An Intelligenz fehlt es ihr keineswegs, und nutzlos ist sie erst recht nicht: Dass die Kuh in Verbindung mit dem Adjektiv dumm dennoch einen Klassiker unter den umgangssprachlichen Ausdrücken bildet, mit denen man sich Luft verschafft, ist nichts weiter als eine Ungerechtigkeit der Geschichte. Was es mit dem Nutztier in seiner Bedeutung für uns tatsächlich auf sich hat, beschreibt Florian Werner in seinem Buch mit dem treffenden Untertitel von Leben, Werk und Wirkung.

Ihr Leben ist nicht unbedingt übel, aber auch nicht wirklich schön: Obwohl sie einen Menschen problemlos heftig attackieren könnte, erträgt sie ihr Leben auf vergleichsweise engem Raum klaglos. Ihr Werk freilich ist so wertvoll, dass es aus unserem Leben kaum mehr wegzudenken ist. Wer von Milch spricht, meint automatisch die Kuhmilch – alle anderen Sorten werden genauer bezeichnet, also Ziegenmilch, Schafsmilch und Stutenmilch. Vegetarier und Veganer gar, die dem Tierischen abschwören und stattdessen auf Flüssigkeiten aus Soja und Reis ausweichen, dürfen nur informell von Milch sprechen, denn das ist per Definition ein durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen Eutersekretion, ohne jeglichen Zusatz oder Entzug. Und Sojabohnen oder Reiskörner haben nun mal rein gar nichts mit Eutersekretion zu tun. Rindfleisch gilt bis heute als inhaltlich besonders wertvoll, und ein Blick auf die Preise für Rindersteaks & Co. bestärkt dieses Image zweifellos – wer sich den Verzehr von Rindfleisch leisten kann, rangiert vermutlich nicht auf der unteren Skala der Gehaltslisten.

Das heute oftmals auf den bloßen Nutzwert beschränktes Image der Kuh hat nicht zuletzt mit der Industrialisierung zur Verarbeitung ihrer Produkte zu tun. Vor dieser Entwicklung war unter anderem der Geruch von Kuhmist eine alltägliche Wahrnehmung und wurde keineswegs als Gestank empfunden.

So wenig schmeichelhaft die Umgangssprache mit dem Tier umgehen mag, so werbewirksam wird sie bis heute in ihrer Gestalt eingesetzt. Über die Kuh als Schokoladen-Werbeträger in lila muss sicher nichts mehr gesagt werden, Yoga für Kühe ist im Buchhandel seit einiger Zeit ein Dauerbrenner, und eine amerikanische Marketing-Kampagne wurde vor wenigen Jahren mit Content Cows Give Better Milk bezeichnet. Zufriedene Kühe geben die bessere Milch – das sollte als Leitmotiv für Unternehmen wirken, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser zu behandeln.

Genau diese Idee, so lustig und logisch sie im ersten Moment wirkt, zeigt auch eine andere Symbolkraft des Nutztiers: Die Kuh steht hier als Synonym für puren Kapitalismus – und ist letztlich ein alter Hut. Schon der Dichter Friedrich Hebbel zeigt in der Erzählung Die Kuh, wie ein Bauer in völliger Geldgier in kürzester Zeit alles verliert, was ihm lieb und wichtig war, inklusive der Kuh, die ihm zunächst noch wie die Verkörperung des Wohlstands schlecthin erschienen war.

Florian Werner zeigt in diesem Buch – pünktlich zum Jahr des Rindes im System der chinesischen Tierkreiszeichen – die Vielseitigkeit und die vielschichtige Bedeutung einer Tierart, die tatsächlich mehr Wertschätzung verdient hat als den bloßen (oftmals auch noch gedankenlosen) Verzehr ihrer Produkte bzw. das Auftragen ihrer Haut in Form einer schicken Jacke.

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