Studie: Schwere Zeiten für Automobilzulieferer

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22 Automobilzulieferer aus Deutschland bzw. Zulieferer mit Werken im Land meldeten unlängst Insolvenz an. 2007 setzten diese Firmen zusammen 4,5 Milliarden Euro um und beschäftigten 32.000 Mitarbeiter im In- und Ausland. Der Scheitelpunkt der Insolvenzwelle werde im März 2009 erreicht, wenn die Auswirkungen von verlängerten Weihnachtsferien und Kurzarbeit bei den Herstellern voll auf die Zulieferer durchschlagen. Bis Ende dieses Jahres könnten weitere 50 bis 80 Automobilzulieferer und somit bis zu 100.000 Mitarbeiter von der Insolvenz betroffen sein. Das sind Ergebnisse der aktuellen Oliver Wyman-Analyse Krise in der Automobilindustrie. Die Automobilindustrie ist mit einem Umsatz von 290 Milliarden Euro im Jahr 2007 und 745.000 direkt Beschäftigten die Schlüsselindustrie in Deutschland. Jeder sechste Arbeitsplatz hängt hierzulande vom Automobil ab. Ein Viertel aller Forschungs- und Entwicklungsgelder in Deutschland (18 Milliarden Euro) werden von Unternehmen des Automobilbaus investiert. Ohne Hightechunternehmen wie gäbe es Innovationen wie das lebensrettende ABS oder die besonders komfortablen adaptiven Fahrwerke nicht: Weltbeste Antriebe und Motoren kommen aus Deutschland.

Die Automobilzulieferer, die kürzlich insolvent wurden, zählen zu den Besten ihrer Klasse. So ist Edscha bei Scharnieren seit Jahren Weltmarktführer und auch im Segment Cabriodachsystemen mit einem Marktanteil von über 20 Prozent (2007) weltweit die Nummer eins. Die weltbesten Cabrioverdecke kommen aus dem bayerischen Hengersberg. Dächer von Edscha werden im BMW 6er ebenso eingesetzt wie im Audi A3. Zu den Besten seiner Klasse zählt auch TMD Friction. Die leistungsfähigsten Bremsbeläge beziehen die europäischen Premiumhersteller von dem Leverkusener Unternehmen. Dies hat den Zulieferer in seinem Spezialgebiet zum Marktführer in Europa gemacht. In der Absatzkrise wurden ihnen aber eine ungesunde Kapitalstruktur und eine starke Verschuldung zusammen mit hohen Zinslasten zum Verhängnis. Viele Faktoren führten bei den Zulieferern zu einem dramatischen Umsatzeinbruch von bis zu 60 Prozent.

Die Zulieferer hatten im zweiten Halbjahr 2008 noch mit hohen Material- und Energiepreisen zu kämpfen. Der Preis für Aluminium ist beispielsweise innerhalb von fünf Jahren um 112 Prozent auf einen Spitzenwert von 3.300 US-Dollar je Tonne im Juni 2008 gestiegen. Nun ist er innerhalb von vier Monaten auf den Preis von 2003 zurückgefallen. Die langfristigen Verträge wurden allerdings noch zu den hohen Preisen des Jahres 2007 abgeschlossen. Die Preissteigerungen bei Rohstoffen konnten nur begrenzt und mit Zeitverzug an die Fahrzeughersteller weitergegeben werden. Rohstoffabhängige Lieferanten wie Wagon Automotive und Edscha (Stahl), Stankiewicz (Kunststoff) oder Intermet Neunkirchen/Sakthi Germany (Guss) sind daher schon seit drei Jahren enorm unter Druck.

Die europäischen Automobilzulieferer müssten auch für 2009 mit starken Umsatzeinbußen rechnen. In den kommenden Wochen werde der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Konzern Schaeffler zum Lackmustest für die deutsche Zulieferindustrie. Sollten Banken, Eigentümer, Fahrzeughersteller und die Politik nicht in der Lage sein, eine tragfähige Lösung für die Schaeffler Gruppe zu finden, wäre dies fatal. Ein Kippen von Schaeffler käme einer Kernschmelze in der Automobilzulieferindustrie gleich.

Wie die Insolvenz von Görtz + Schiele oder Eybl International zeigte, können alle Firmen betroffen sein: kleine, familiengeführte Mittelständler oder börsennotierte Unternehmen. Allerdings ist die Zahl der insolventen Zulieferer in der Hand von Finanzinvestoren außerordentlich hoch: Edscha (Private-Equity-Eigentümer: Carlyle), Wagon Automotive (Wilbur Ross), TMD Friction (zirka 30 Investoren), Stankiewicz (Gilde), Henniges Automotive (Wynnchurch) und Tedrive (Orlando) sind größere Unternehmen der Zulieferlandschaft. Selbst Betriebe, die erst kürzlich übernommen wurden, etwa die ehemalige Intermet Neunkirchen und Geiger Technologies durch die Käufer Sakthi bez. Sintex Industries (Indien), mussten bereits Insolvenz anmelden. In allen Fällen sind die für die aktuellen Rahmenbedingungen ungesunde Fremdkapitalstruktur und die damit verbundenen hohen Zinsen ein Auslöser für die Krise.

Gegenwärtig sind gut 50 meist mittelgroße deutsche Zulieferer in Private-Equity-Besitz und viele Finanzinvestoren haben in den vergangenen Wochen Gelder nachgeschossen. Doch wie schnell diese aufgezehrt sein können, zeigt der Fall Edscha. Im Dezember 2008 stellte Carlyle 20 Millionen Euro zur Verfügung, die bereits im Februar 2009 nicht mehr ausreichten.

Oliver Wyman ist eine internationale Managementberatung mit weltweit 2.900 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten. Das Unternehmen ist mit Büros in München, Frankfurt/Main, Düsseldorf, Hamburg und Zürich mit 560 Mitarbeiter vertreten.

Text: Erwin Halentz, Foto: Mercedes-Benz

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