IAA Nutzfahrzeuge: Ein Hauch von Colani ist überall

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Ein Gang über das Freigelände oder durch die Hallen einer Nutzfahrzeug-Ausstellung ähnelt acht Jahre nach der Jahrtausendwende fast mehr einem Blick in das Design-Studio von Maestro Luigi Colani als dem Besuch einer Fach-Ausstellung. Auch Lastwagen, vor Jahrzehnten einmal dazu geschaffen, Transportgüter möglichst rasch und preisgünstig von Punkt A nach Punkt B zu bewegen, können sich inzwischen dem Diktat des Windkanals nicht mehr entziehen. Der Wertewandel der vergangenen Jahrzehnte hat auch vor der Nutzfahrzeug-Industrie nicht halt gemacht. Viele Fahrzeuge, die kaum an der Schwelle zur Serienreife stehen, leiten ihr Standrecht an der Leine denn auch eher von ihren ökologischen Vorzügen als von realen unternehmerischen Hilfestellungen ab.

Ein beredtes Beispiel dafür ist Nissan. Die Japaner zeigen auf der 62. IAA Nutzfahrzeuge den Prototyp eines Cabstar Hybrid, das Konzeptfahrzeug NV 200 und den Cabstar mit automatisiertem Schaltgetriebe und neuem Interieur. Der als seriennahe Studie präsentierte Cabstar Hybrid vereint den bekannten 150 PS starken 3-Liter-Diesel und einen kraftvollen Elektromotor zu einem Parallel-Hybrid. Das in Kooperation mit dem Getriebe-Spezialisten ZF entwickelte Konzept erlaubt kurzzeitig (bis zu einem Kilometer) reinen Elektrobetrieb. Die Lithiumionen-Batterien werden im Schubbetrieb wieder aufgeladen. Das Potenzial zum Einsparen von Kraftstoff im Stadtverkehr beziffert Nissan auf bis zu 30 Prozent. Ebenfalls von ZF stammt das neue automatisierte Sechsgang-Schaltgetriebe für den Cabstar, der außerdem einen überarbeiteten Innenraum bekommt. Das neue Getriebe ermöglicht Verbrauchseinsparungen von bis fünf Prozent.

Welche realen Möglichkeiten allerdings in nicht allzu ferner Zukunft ein multifunktionaler Van bieten kann, zeigt die von Nissan in Hannover präsentierte Lieferwagen-Studie mit Namen NV 200. Die Wundertüte und gleichzeitig auch das Herzstück dieses bereits auf der Tokio-Motor-Show gezeigten NV 200 ist dessen teleskopierbarer Laderaum: Wenn man das Fahrzeug gehen lässt, mutet es an wie eine riesige Industrie-Krake, die pflichtbewusst ihrer Arbeit nachgeht. Ist die Studie erst einmal fest geparkt, dann lässt sich das äußerst geräumige und mehrfach unterteilte Ladegefäß des Lieferwagens nach hinten ausfahren. Danach wird es mit großzügig proportionierten Stützen standsicher fixiert. Der dadurch frei gewordene Innenraum des Multi Purpose Vehicle (MPV) bietet Platz für Anwendungen der verschiedensten, die vom rollenden Büro bis hin zu einem Schlafmobil reichen.

Im Falle des NV 200 wählten die Designer die mit einer großen Spannbreite versehen Aufgaben eines wissenschaftlich arbeitenden Unterwasser-Fotografen. Was jedoch dem Alltagsgeschäft keinen Abbruch tut, denn die realen Transportprobleme in der Arbeitswelt können mit dem NV 200 genau so zufrieden stellend erledigt werden. Der NV 200 ist ein Produkt des Londoner Nissan Design-Centers und steht für unsere eingangs getroffene Behauptung: Colani ist überall, auch wenn er inzwischen vielleicht als Japaner ins United Kingdom mutiert ist.

Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Bernhard Schoke

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