Erste Erfahrungen: Audi Q7, V12 TDI

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Es gibt Fahrzeuge, die beeindrucken bedeutend mehr durch die bewundernswerte Leistung der Ingenieurskunst, die ein solches Kraftwerk geschaffen hat, als dass sie nun den unbedingten Nachweis ihrer Existenzberechtigung führen müssten. Dazu gehört mit Sicherheit dieses ebenso mächtige wie in seiner Handhabung doch fast schon wieder filigran zu nennende einzigartige Auto, das gleichzeitig polarisiert und fasziniert. Der stärkste Seriendiesel der Welt in einem Automobil, dem man sich scheut, den Namen Geländewagen zu zu gestehen. Der Audi Q7, befeuert von einem aus zwölf Zylindern bestehenden Triebwerk, mit schier unglaublichen Leistungsdaten: 500 PS, 1000 Newtonmeter Drehmoment. Ein Fahrzeug, erhältlich für 130.260 Euro, bei dem sich nicht nur die Frage nach der Klientel, sondern auch nach dem Sinn und Zweck seiner Existenz stellt. Die Zahl der Kritiker nämlich wird denen der Bewunderer kaum nach stehen.

Kein Zweifel, dieses Fahrzeug ist in Sachen Dieselkraft einfach unschlagbar. Im Zeitalter der Umweltplaketten-Diskussionen und um regenerative Energien muss man aber auch ein ebenso gesundes Selbstvertrauen wie eine ziemlich dicke Haut besitzen, um sich damit in der Öffentlichkeit sehen zu lassen. Wobei sich die Zahl seiner Besitzer in mitteleuropäischen Breitengraden sicherlich in überschaubarem Rahmen halten wird.

Der Diskussion jedoch geht die Faszination voraus. 300 Kilogramm wiegt das sechs Liter Hubraum fordernde und fassende Ungeheuer von Triebwerk, das sich nach dem Anlassen wie das vergessene Überbleibsel eines Urwelt-Ungetüms schüttelt. Um dann in ein eher sanftes, aber vernehmliches Grollen zu verfallen. Die Beschleunigung ist eine Mischung aus automobiler Urgewalt und beharrlichem, permanentem Vorwärtsdrang. Wobei der Fahrer das Gefühl nicht los wird, das Wunderwerk der Kraftentfaltung eher aus der Pilotenkanzel eines Raumgleiters als aus dem Autositz zu erleben.

Dieses Auto hat eigentlich nie danach verlangt, gebaut werden zu müssen, aber seine Entwicklung war irgendwann so weit gediehen, dass es eine Unterlassungssünde gewesen wäre, ein solches freundliches Monstrum ohne Vorbild der theoretischen Vorstellungswelt alleine zu überlassen. Der Diesel-Riese ist ein Unikat, wird eines bleiben, vereinigt die Leistungswerte eines Sportwagens (in 5,5 Sekunden auf 100 km/h) mit denen eines Geländewagens. Hier ist der Gipfel der Genüsse, der nicht mehr zu steigernde Zenit beim Bau eines Geländewagens, der eigentlich keiner mehr ist, nicht nur erreicht. Er ist zweifelsohne überschritten.

Der Zwölfzylinder Q7 wird in seiner Einzigartigkeit auch unerreicht bleiben. Er erwirbt quasi das Prädikat der Blauen Mauritius unter den Geländewagen. Denn die Konkurrenz hat dem weiteren Wettrüsten eine Absage erteilt. Weder BMW noch Mercedes werden für ihre aktuellen Modellfamilien der V8-Diesel Nachfolger auf den Markt bringen. An einen Zwölfzylinder mit ähnlichem Gewicht von 2.600 Kilogramm ist schon gar nicht gedacht. Audi nennt Russland und Osteuropa als den präferierten (und wahrscheinlich auch einzigen) Absatzmarkt des Zwölfenders. Was nicht verwunderlich erscheint, denn über Stickoxide wird dort wahrscheinlich noch weniger gesprochen als über einen Putin-Rückzug aus der aktuellen russischen Politik.

In den USA wird der Zwölfzylinder vorerst nicht angeboten werden. Mit der jetzigen Motorabstimmungen sind die dortigen Abgas-Vorschriften nicht einzuhalten. Aufgeschoben soll aber nicht aufgehoben sein. Die Amerikaner wollen zwei Dinge haben: Drehmoment und Hightech. Beides können wir bieten, wird Audi-Vorstand Rupert Stadler zitiert. Der erste Praxistext für den Riesen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist schon terminiert. Beim Mileage Marathon, dem sich 23 verschiedene TDI-Modelle unterziehen, wird Audi im Oktober auf 13 Tagesetappen zwischen New York und Los Angeles für den Ölbrenner drüben werben. Obwohl das wirklich ein hässliches Wort für ein solches Auto ist. Ein Fahrzeug, dessen objektive Unvernunft nur noch von seinem subjektiven Spaßfaktor übertroffen wird.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Hersteller/Jürgen C. Braun

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