Was nun, Scuderia? – Die Ferrari-Welt nach Spa

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Spa, das ist größtenteils Schumi-Land, in Rufweite fast ist der Mega-Mann der Formel 1 aufgewachsen. Das unfreiwillige Erbe, das der Mega-Mann der Formel 1 seinem Ex-Arbeitgeber überlassen hatte, stellt die Scuderia Ferrari aber auch nach dem Großen Preis von Belgien, zu dessen Sieger nachträglich Ferrari-Mann Felipe Massa erklärt wurde, vor gewaltige Probleme.

Wer ein wenig ketzerische Neigungen hat, ist vielleicht gewillt zu behaupten, dass das, was Kimi Räikkönen am Sonntag zwei Runden vor dem Ende des Rennens widerfahren ist, der Scuderia so ungelegen gar nicht kam. Denn jetzt besteht zumindest einmal die Chance, eine Zäsur nach einem ziemlich fragwürdigen Zustand zu ziehen. Obwohl es für die Roten aus Maranello hätte noch schlimmer kommen können, wäre ihrem Protest gegen den Erfolg des Mercedes-Piloten Lewis Hamilton nicht statt gegeben worden.

Denn bei der italienischen Formel-1-Schmiede herrschte bis sechs Rennen vor dem Saisonende, also bis zum Start am Sonntag zum Großen Preis von Belgien trotz des Champions in den eigenen Reihen eine für den befangenen Betrachter schier schauerliche Ungewissheit der Machtverhältnisse. Kimi Räikkönen und der feindliche Freund im eigenen Lager, Felipe Massa, üben sich seit Monaten in der diplomatischen Kunst des Waffenstillstands mit Kanonendonner. Seit gestern könnte das Pendel endgültig zugunsten des Brasilianers ausgeschlagen haben.

Die vermeintliche Stärke, nämlich zwei aussichtsreiche Anwärter für die finale Pole-Position im eigenen Lager zu wissen, war gleichzeitig über einen langen Zeitraum hinweg der wunde Punkt der hauseigenen Ferrari-Machtstrukturen. Seit der Deutsche die selbstverliebten Ferraristi diszipliniert und somit auf den Erfolgsweg (zurück) geführt hatte, galt nicht nur dessen Wort, sondern auch sein Ansehen im Team. Du sollst keinen zweiten Titelkandidaten neben mir haben. Egal wie sie heißen seit Schumachers Wechsel von Benetton zu Ferrari: ob Martin Brundle, Rubens Barrichello oder zum Schluss auch Felipe Massa: Sie alle lebten auf der Strecke von den wenigen Brotkrümeln vom Tisch des Herrn, waren ohne zu Murren die (meist gut bezahlte) Nummer zwei hinter dem alles dominierenden Maestro.

Lange Zeit stand Ferrari vor einer Situation, die zur Schumacher-Ära undenkbar gewesen wäre. Weltmeister, bekundete Massa noch am Wochenende im Bewusstsein damaliger Pflichterfüllung, ist Kimi nur geworden, weil ich ihn im vergangenen Jahr in Sao Paulo habe passieren lassen und bei Hamilton 30 Sekunden das Getriebe aussetzte. Eine Geste, die ihm dennoch nicht zur Blutsbrüderschaft mit dem nordischen Weltmeister der Teilnahmslosigkeit verhalf.

Weit weniger als Räikkönens scheinbar nicht vorhandenes Nervenkostüm beschäftigt derzeit Massas traurige Verlässlichkeit Team und Fahrer. Trotz seines nachträglich anerkannten Sieges auf der Ardennen-Achterbahn. Mit schöner Regelmäßigkeit schießt der Brasilianer immer dann einen Bock, wenn es darauf ankommt, die Big points zu sammeln. Seine Kampfansage an die Konkurrenz, egal wie sie heißen mag, klingt da schon ein wenig aufgesetzt. So wie auch in Spa nach Rang zwei im Qualifying. Meine Runde war perfekt, ich bin motiviert, ich habe alles was zum Champion taugt. Um nach einer Denkpause hinzu zu fügen: Glaube ich.

Vor dem Heimspiel in Monza in zwei Wochen muss die Scuderia eine teaminterne Rangliste aufstellen. Nicht auszuschließen, dass sich der Finne wohl oder übel für Sao Paulo 2007 revanchieren darf. Doch wie auch immer die Entscheidung ausgehen mag. Anmerken wird man es dem Finnen, dem Mann ohne Mienenspiel ohnehin nicht.

Text und Foto: Jürgen C. Braun

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