Die Tour de France 2008 – Jürgen C. Brauns Tagebuch (2)

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Hinweise auf sanglier, zu deutsch Wildschwein wurden zwar nicht gesichtet am Atlantik rund um Brest und anschließend auf den ersten Etappen rund um die bretonischen Wiesen mit ihren charakteristischen Hecken. Dennoch dürfte fest stehen, irgendwo hier müssen vor rund zweitausend Jahren unsere Comic-Held Asterix und Obelix besagte Borstenviecher verspeist haben. So man den Herren René Goscinny und Albert Uderzo, die das Leben der aufmüpfigen Gallier so plakativ fest gehalten haben, glauben darf. Auch durch das berühmte Kleinbonum führte die erste Tagesetappe am Samstag (Bildausschnitt links) nicht und fahrbare Untersätze, wie römische Streitwagen oder gallische Fuhrwerke wurden nicht gesichtet.

Stattdessen hier im beschaulichen äußersten Westen der Republik die eine oder andere kleine Reise in die französische Automobilgeschichte, die man in den großen Zentren des Landes sicherlich so nicht gesehen oder zumindest nicht vermutet hätte. Beispielsweise ein Citroën Typ H, einer der ersten Lieferwagen aus der Fabrik des Monsieur André Citroën, der wohl irgend einem privaten Sammler gehörte und eigens für die Durchfahrt der Tour noch einmal ins Licht der Öffentlichkeit und damit der Kameras positioniert wurde. Der Typ H zeichnete sich vor allem durch sein charakteristisches Wellblechmuster aus, das jedoch weniger auf der Idee eines spleenigen Designers beruhte, sondern einen ganz pragmatischen Hintergrund hatte. Es diente ganz einfach der Karosseriesteifigkeit und ihrer Festigkeit. Wohl in keinem anderen Citroën war das Markenemblem des Hauses, der double chevron, (Doppelwinkel), so überproportional groß zu erkennen wie im Typ H.

Überhaupt hat das Haus Citroën in diesem Jahr ja einiges zu feiern. Auf dem Pariser Automobilsalon des Jahres 1948 wurde nämlich der erste 2CV vorgestellt. Der mit einem luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor ausgestattete döschwo lieferte damals neun PS und war – wenn man ihn dann ließ – 65 km/h schnell. Die Ente machte dann ihren Weg durch die Automobilgeschichte. 60 Jahre hat sie jetzt auf dem Buckel, noch mal 45 mehr sind es bei der Tour, die vor allem in der Bretagne ein Stück gelebtes Frankreich ist.

Sehr viele uralte Fahrräder, die – wunderschön herausgeputzt und drapiert – an den Ortseingängen platziert werden, liefern Zeugnis von der großen Sympathie und Liebe, die die Bretonen ihrer Tour entgegen bringen. Schließlich führt sie in den ersten drei Tagen durch die Region, in der einer der größten Radsportler aller Zeiten geboren wurde und aufwuchs. Bernard Hinault, fünfmaliger Tour-Sieger, wurde von seinen bretonischen Landsleuten ob seiner großen Raffinesse und seines taktischen Verständnisses le blaireau – Der Dachs genannt. Irgend ein Zuschauer musste auch am Sonntag noch ein altes Plakat aus den späten siebziger oder frühen achtziger Jahren ausgegraben haben. Le blaireau vaincra – Der Dachs wird gewinnen stand darauf zu lesen. Mitunter ist die Tour de France auch ein bisschen Geschichtsunterricht ihrer selbst.

Text und Foto: Jürgen C. Braun

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