50 Jahre Fiat 128 – Giacosas finaler Geniestreich

Dieser kantige Kompakte führte Fiat in die Zukunft und transformierte den Turiner Konzern zu einer automobilen Weltmacht. Mit dem 40 Jahre unter verschiedenen Markenlogos gebauten Typ 128 begann bei den Italienern die Ära des Frontantriebs und eine Erfolgsstory konkurrenzloser Karosserievielfalt in der kleinen Klasse.

Er passte perfekt in eine Zeit, die Kopf stand. Der kleine Fiat 128 debütierte im Frühjahr 1969, als Studentenproteste Italien in Atem hielten, das moralische Monopol der Kirche in Frage gestellt wurde und Gewerkschaften dem Turiner Auto-Giganten innerbetriebliche Konflikte mit 15 Millionen Streikstunden bescherten.

Trotzdem rettete Fiat die Traditionsmarke Lancia durch Übernahme vor dem Untergang und Ferrari vor dem Verkauf ins Ausland. Allerdings war Italiens größtes Industrieunternehmen jetzt dringend auf ein neues Volksauto angewiesen, das Geld in die leeren Kassen spülte. Der betagte Fiat 1100 fuhr in der Kompaktklasse hinterher und der kleine Heckmotortyp 850 hatte seine besten Tage hinter sich, kurz: Etwas ganz Neues war gefragt und zwar subito!

Dante Giacosa, legendärer Chef-Designer bei Fiat und Vater von Volks-Wagen Fiat Topolino wie Nuova 500, hatte schon einen Geniestreich vorbereitet: Mit dem kantigen Fiat 128 in klarer Bauhausarchitektur setzte er sich kurz vorm Ruhestand selbst ein Denkmal, das mit der vom Ex-Ferrari-Mann Aurelio Lampredi konstruierten Antriebstechnik alle kleinen Fiat bis ins 21. Jahrhundert beeinflusste. War der Typ 128 doch dank Vorderradantrieb, quer eingebautem Frontmotor mit obenliegender Nockenwelle sowie Einzelradaufhängung rundum, die Sensation des Auto-Jahrgangs 1969. Ein Multi-Million-Seller, der in über einem Dutzend Karosserieformen auf allen Kontinenten verkauft wurde.

Tatsächlich beeinflusste das technische Layout des 3,85 Meter kurzen und kastenförmigen Fiat 128 mit damals vergleichsweise riesigen 2,45 Metern Radstand (mehr als das Mittelklassemodell Fiat 124) so unterschiedliche Baureihen wie Autobianchi A112 und Y10, Fiat 127, Ritmo, Regata, Elba, Panda und Uno sowie Seat Ibiza, Ronda und Marbella, aber auch Zastava 1100 und Yugo Koral/45. Alle diese Typen sind konstruktiv verwandt mit dem Fiat 128, einem unkonventionellen Familienflitzer, der es anfangs vor allem mit biederen Heckantriebskonkurrenten wie Opel Kadett, Ford Escort, NSU 1200 und dem VW Käfer aufnehmen musste. Mit einem Feuerwerk an fröhlichen Farben und vielfältigen Karosserieversionen verstand es der Fiat 128 jedoch sogar, sich gegen extravagante französische Herausforderer von Citroen (GS), Simca (1100) und Peugeot (204) durchzusetzen.

So feierte der wahlweise zwei- oder viertürige Stufenheck-Fiat seine festliche Weltpremiere auf dem Genfer Salon 1969 gleich in Gesellschaft spektakulärer Coupés aus der Carrozzeria Moretti. Wahlweise gab es den Moretti 128 als fünfsitziges Coupé oder als Targa. Und auf dem Laufsteg des Turiner Salons zeigte der 128 Teenager wenige Monate später, wie sich Pininfarina ein exaltiertes Auto für die damals noch immer auf den Straßen rebellierende Jugend im „Heißen Herbst“ Italiens vorstellte. Nützlicher war da schon die Transportversion des Fiat 128, der dreitürige Kombi 128 Panorama. Mit eindrucksvoller Ladekapazität deklassierte er fast alle herkömmlichen kleinen Familien- und Freizeitfrachter. Wer fünf Türen bevorzugte, konnte den auch über Fiat-Händler vertriebenen Zastava 1100 ordern, die jugoslawische Interpretation des 128. Das Raumkonzept des italienischen Originals machte den Kompakten mit allen Karosserien zum Klassenprimus, wie die versammelte Fachpresse in Vergleichstests bestätigte. Ein Verdikt, dem anfangs sogar die Käufer im Land der Straßenkreuzer folgten, wenn, ja wenn es da nicht das Thema Qualität gegeben hätte.

Denn in der Disziplin „Schnellroster“ konkurrierte der Fiat 128 kurzzeitig mit unfreiwilligen Korrosionskönigen wie dem Alfasud, allerdings verstand sich Fiat auf Schadensbegrenzung. So gab es ab 1973 ein neues Lackierverfahren mit vorheriger Rostschutzbehandlung aller Karosserieteile und zwei Jahre Garantie gegen Durchrostungsschäden – das ganze begleitet von einer aufwändigen Werbekampagne. Zu dieser Zeit war diese bezahlbare macchina italiana für bescheidene Verdiener bereits zu einer großen Familie gewachsen. Ein freches Spaßmobil für den Sportsgeist war 1971 hinzugekommen, als der zweitürige Fiat 128 Rally mit auffälliger Bemalung und Zusatzscheinwerfern an die Startlinie fuhr. Mit 49 kW/67 PS starkem 1,3-Liter-Doppelvergaser-Motor sprintete der 128 Rally in 11,5 Sekunden auf Tempo 100. Dieses Temperament genügte für Ampel-Duelle mit flotten, weit kostspieligeren Sportlern vom Schlag eines Ford Capri, Lancia Fulvia Coupé oder gar VW-Porsche 914/4. Womit wir bei den Stichwörtern Sportcoupé beziehungsweise Klappscheinwerfer-Sportwagen mit Targadach wären. Auch hier hatte Fiat verlockende 128er mit hohem Fahrspaß-Faktor vorbereitet, schließlich galt es Nachfolger für das Heckmotorduo 850 Coupé und Spider zu finden.

Beim 1971 vorgestellten und nur 800 Kilogramm schweren 128 Sport Coupé zerrten bis zu 55 kW/75 PS an der Vorderachse, womit der Viersitzer agiler war als fast alle vergleichbaren Hecktriebler. Optisch völlig eigenständig, technisch aber mit allen wichtigen Ingredienzien des Tipo 128 ausgerüstet, stellte sich zudem Ende 1972 der keilförmige Fiat X1/9 vor. Dieser bei Bertone gezeichnete erste Fiat-Mittelmotorsportwagen blieb bis in die späten 1980er Jahre aktuell. Dagegen wurde das 128 Sport Coupé bereits 1975 abgelöst durch ein dreitüriges Kombicoupé. Dieser zeitgeistige 128 3P (Tre Porte bzw. drei Türen) Berlinetta griff das Konzept von Capri II und VW Scirocco auf, begnügte sich aber mit maximal 54 kW/73 PS aus 1,3 Litern Hubraum. Der jungen Sportcoupé-Kundschaft genügte es und auch dieser 128 wurde sogar in den USA abgesetzt.

Wer Exklusivität in kleinem Format bevorzugte, konnte den 128 in den Spezifikationen verschiedener Veredler ordern. So lieferte Designspezialist Lombardi den luxuriös ausstaffierten 128 Smart, Cuneo zeichnete für einen Crossover-Viertürer mit Bullbar-Stoßfänger verantwortlich und Michelotti zeigte 1972 anhand des 128 Pulsar, wie ein spektakulärer 2+2-sitziger Sportwagen auf einer Designmesse Aufsehen erregen kann. Ganz und gar ungewöhnlich waren zudem die Kreationen von Fiat in Südafrika, so gab es dort den 128 Bakkie mit Pick-up-Aufbau. Dagegen präferierten die Argentinier und Ägypter besondere Modell-Kontinuität, denn dort wurde der Fiat 128 bis zum Jahr 1990 beziehungsweise 2009 gebaut. In Italien endete die Ära des kleinen Frontantriebs-Revoluzzer 1985 – allerdings gab es damals bereits seit sieben Jahren den Nachfolger Fiat Ritmo.

Als Fahrzeug für Familien, Firmen, Taxiunternehmen und Behörden bot der Fiat 128 lange die breite Auswahl zwischen fünf Motoren. Erst zum Schluss seiner Bauzeit beschränkte er sich wieder auf den 1,1-Liter-Vierzylinder mit dem 1969 alles begonnen hatte. „Vielleicht eine Referenz an die revolutionäre Idee dieses geradlinigen Kleinwagens“, kommentierte Dante Giacosa diese Entwicklung. Tatsächlich überlebte der Fiat 128 alle zeitgenössischen Konkurrenten, was ihn trotzdem nicht davor bewahrte, irgendwann ebenso wie alle anderen Massenmodelle auf dem Hof von Autoverwertern zu landen.

Bilder: Fiat

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