Sieht ein Autofahrer rechterhand eine Einmündung vor sich, ist für ihn nicht immer klar zu entscheiden, ob es sich dabei um eine Grundstücksausfahrt oder eine vorfahrtberechtigte Straße handelt. In einem solchen Fall ist der Fahrer verpflichtet, das Tempo zu drosseln und bremsbereit zu sein. Kommt es dann zu einem Unfall, ist für die Schuldfrage der optische Gesamteindruck der einmündenden Straße mit entscheidend. Darauf weisen die Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin unter Berufung auf ein Urteil des Landgerichts Potsdam vom 01. Februar 2007 (Az: 3S 155/06).
An einer Kreuzung war es zu einem Unfall gekommen, weil ein Autofahrer die für ihn rechterhand zu erkennende Einmündung nicht als Straße sondern als Grundstücksausfahrt wahrgenommen hatte. Dieser Eindruck war unter anderem durch eine Reihe von in den Asphalt eingelassenen Pflastersteine entstanden, die die Straße optisch abtrennte. Es klagte die Kaskoversicherung des Autofahrers, der aus der von rechts kommenden Straße in die Kreuzung fuhr, gegen die Haftpflichtversicherung des anderen Fahrers.
Das Landgericht Potsdam gab der Klägerin recht: Die alleinige Haftung liege bei dem Versicherungsnehmer der Beklagten. Dieser habe die Regel rechts vor links nicht beachtet und so den Unfall verursacht. Es sei auf den optischen Gesamteindruck abzustellen, den diese Straße biete. Im vorliegenden Fall sei die von rechts kommende Straße als solche zu erkennen gewesen – zum einen aufgrund einer straßenüblichen Breite und zum anderen an einem an der Ecke aufgestellten Straßenschild. In einer Situation, in der der erste optische Eindruck mindestens fragwürdig sei, müsse der betroffene Autofahrer das Tempo herabsetzen, besonders aufmerksam und bremsbereit sein.
©Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein