Die Tour de France auf www.kues.de

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Halbzeit in der Tour de France, das ist normalerweise eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Bilanz über sportliche Ereignisse, menschliche Dramen, persönliche Geschichten. Doch seit Mitte dieser Woche ist dies alles, zumindest für uns Deutsche, anders. ARD und ZDF steigen aus der Radsportberichterstattung aus, ausgerechnet ein Profi aus dem Team T-Mobile, das mit jungen, sauberen Fahrern eine neue Zeitrechnung im Radsport einläuten wollte, steht nun unter dem Verdacht, gedopt zu haben. Die Franzosen lassen sich von derlei Meldungen nicht ihre Lust am Radsport nehmen, sie interessiert das Spektakel, nicht die Hintergründe. Das wurde auch auf der so genannten Königsetappe über Telegraph und Galibier noch einmal deutlich, als Zehntausende im alpinen Hochgebirge campten und mit Wohnmobilen angereist waren. Viele waren auch mit den eigenen Fahrrädern, teils selbst über zwei hohe Pässe, aus Italien herüber gekommen, um die Stars der Szene zu beobachten, oder einfach nur eine stundenlange Show und damit auch sich selbst zu feiern.

Zu der Entscheidung der beiden Fernsehanstalten, sich aus der Berichterstattung zurück zu ziehen, mag sich jeder seine eigene Meinung bilden, darum geht es hier auch gar nicht. Ich persönlich, der die Tour seit vielen Jahren als Berichterstatter begleitet, bin einfach nur maßlos traurig und enttäuscht über das ganze Szenario. Enttäuscht vor allem darüber, weil man im Laufe von vielen Jahren auch Menschen kennen gelernt hat, denen man bei aller gebotenen journalistischen Distanz doch gewogen war. Es fällt schwer, bestimmten Leuten jetzt noch in die Augen zu schauen in der großen Wahrscheinlichkeit, von diesen über Jahre hinweg angelogen oder zumindest getäuscht worden zu sein.

Es handelt sich dabei um Menschen, die größtenteils kein Unrechtsbewusstsein haben, weil das, was sie tun, ja andere ebenso tun. Deswegen, so bizarr und pervers es klingen mag, hat Jan Ullrich durchaus recht, wenn er behauptet, niemandem geschadet zu haben. Die Voraussetzungen waren offenbar gleich. Gleich unrechtmäßig. Es ist schade um eine faszinierende Sportart, die Jahr für Jahr Millionen Menschen an den Straßenrändern und den Bildschirmen in ihren Bann zieht. Es wird auch im nächsten Jahr eine Tour de France geben, weil das alles kein Problem der Tour, sondern des Radsports ist. Eine Lösung aber scheint ferner in Sicht denn je, zumal der aktuelle Spitzenreiter seit Freitag auch unter Verdacht steht. Der dänische Radsportverband hat Michael Rasmussen aus dem Nationalteam geworfen, weil dieser sich vor dem Tour-Start einer Dopingkontrolle des Verbandes entzogen hatte. Da kann man nur noch fragen: Quo vadis, Tour?

In diesem Sinne ein nachdenkliches Wochenende.
Ihr Jürgen C. Braun

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