Recht: Kinder müssen nur in Gefahrensituationen an die Hand genommen werden

Kinder müssen von ihren Eltern auf Gehwegen nur in besonderen Gefahrensituationen an die Hand genommen werden. Läuft eine Mutter ihrem Kind auf eine befahrene Straße nach, ohne auf herannahende Autos zu achten, handelt es sich um einen Schutzreflex, der kein Mitverschulden begründet. Dies geht nach Angaben der Verkehrsrechtsanwälte des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 18. Juli 2006 hervor (Aktenzeichen: 4 U 239/05-132).

Eine Mutter ging mit ihrer zweijährigen Tochter in der Stadt spazieren. Die Tochter lief plötzlich vom Bürgersteig auf die Fahrbahn, die Mutter rannte hinterher, ohne auf den Verkehr zu achten. Dabei wurden beide angefahren und schwer verletzt. Der Fahrer hatte Alkohol und Cannabis konsumiert. In der ersten Instanz wurde ein Mitverschulden der Mutter an dem Unfall angenommen.

Das Berufungsgericht sah dies jedoch anders. Ein Mitverschulden der Mutter liege weder darin, dass sie ihre Tochter nicht an der Hand gehalten habe, noch dass sie ihr hinterher gerannt sei. Im Alter von 2 Jahren würden Kinder gerade das selbstständige Laufen lernen. Dies sei für ihre Entwicklung bedeutsam. Daher müssten sie nur in besonderen Gefahrensituationen an die Hand genommen werden. Eine solche Situation liege beispielsweise beim Überqueren der Straße oder bei Ausfahrten vor. Beim Benutzen eines Bürgersteigs in der Stadt reiche es aus, wenn die Mutter – wie hier – dafür sorge, dass das Kind auf der Häuserseite des Gehwegs gehe. Auch das Nachlaufen der Mutter begründe kein Mitverschulden. Dem Mädchen hinterher zu rennen sei eine natürliche nicht willensgesteuerte Reflexreaktion, um ein Kind vor dem dichten Verkehr zu retten.

©Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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