Winterreifen: Es ist Zeit für den Wechsel

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Alle Aspekte sprechen für die Umrüstung auf Winterreifen – die Sicherheit, die Mobilität, die Technik und die Rechtsprechung.

Es gibt nur in wenigen europäischen Ländern eine generelle Winterreifen-pflicht – in Finnland und dem Baltikum – aber auf etlichen Straßen und Bergstrecken sind sie ab Oktober häufig vorgeschrieben. Der deutsche Gesetzgeber hielt sich bislang bei diesem Thema sehr zurück, das hat sich am 1. Mai dieses Jahres geändert. Neu und Gesetz ist die Änderung der StVO, die verlangt, dass die Ausrüstung aller Fahrzeuge den Wetterverhältnissen anzupassen ist. Was bei Glätte und Schnee Winterreifen voraussetzt. Wer dagegen verstößt, hat mit 20 Euro Bußgeld zu rechnen. Wer den Verkehr behindert, beispielsweise weil er mit Sommerreifen unterwegs ist und hängen bleibt, wird mit 40 Euro zur Kasse gebeten (plus ein Punkt im Verkehrszentralregister). Darüber hinaus verweigern zunehmend die Versicherungen bei Winterunfällen die Schadensregulierung, wenn Sommerreifen zum Schaden beigetragen haben. Und Gerichtsurteile sind auch schon ergangen, die eine Versicherung von der Begleichung eines Kaskoschadens freistellen, weil keine Winterreifen aufgezogen waren.

Unabhängig von rechtlichen Prämissen ist die Verwendung von Winterreifen ab Ende Oktober ein Gebot der Sicherheit und Mobilität. Zwar sind Winterspezialisten inzwischen bei mehr als 50 Prozent aller Pkw eine Selbstverständlichkeit, aber noch rodeln zu viele Autos mit Sommerreifen durch die Gegend, sind eine Gefahr für sich und andere. Gelegentlich fehlt leider auch schlicht die Einsicht zur Umrüstung. Begründung: Die Fahrzeuge hätten ja moderne Elektroniksysteme an Bord. Überdies rüsten nur etwa 20 Prozent der Eigner von allradgetriebenen Geländewagen oder SUV (Sport Utility Vehicles) auf Winterreifen um. Die Realität freilich sieht anders aus: Jedes Fahrzeugkonzept, auch mit Allradantrieb oder hochwirksamen Fahrerassistenzsystemen, ist im Ernstfall auf die Leistungsfähigkeit von Winterreifen angewiesen, vor allem beim Bremsen.

Bei entsprechendem Fahrbetrieb und in speziellen Fällen (Flachland, Lieferverkehr) gilt auch der Ganzjahresreifen als nicht optimal, aber akzeptabel. Dagegen ist der Sommerreifen schon bei Plustemperaturen von unter sieben Grad auf Nässe mehr oder weniger überfordert (längere Bremswege). Bei Schnee, Matsch, Eis und Reifglätte sichert nur der Winterreifen die gewünschte Mobilität, hat erheblich kürzere Bremswege, ermöglicht das Anfahren auch an Steigungen und liefert eine akzeptable Seitenführung in Kurven. Davon und vom Versagen der Sommerreifen konnte sich eine hohe Anzahl von Autofahrern – erinnern Sie sich? – im letzen Winter auch in Gegenden überzeugen, die üblicherweise nicht gerade als schneesicher gelten.

Vorurteile sind langlebig. Denn trotz der zum Teil bahnbrechenden Entwicklungen in der Reifentechnik haben viele Fahrer bisher ihre Vorurteile gegenüber Winterreifen nicht verändert. So vertritt ein Viertel der Befragten einer wissenschaftlichen Studie die Meinung, dass Winterreifen bei Nässe unsicherer sind als Sommerreifen. Fast jeder zweite Autofahrer ist darüber hinaus der Meinung, dass Winterreifen erst dann ihre Wirkung voll entfalten, wenn die Temperaturen unter Null gefallen sind. Die Realität: Continental hat mit vergleichenden Messungen nachgewiesen, dass bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius auf Nässe der Bremsweg von Sommer- wie Winterreifen bei rund 66 Meter liegt (Ausgangsgeschwindigkeit 90 km/h). Bei sinkenden Temperaturen verlängert sich der Winterreifen-Bremsweg unwesentlich, bei Sommerreifen dagegen deutlich auf 70 Meter (bei 5 Grad Celsius). Auf Schnee und Eis wird die Differenz bekanntlich weit gravierender.

Ein weiteres Vorurteil, das Winterreifen anhaftet, betrifft den Fahrkomfort. 42 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Winterreifen unkomfortabler sind als Sommerreifen. Diese Meinung hat ihren Ursprung in den früher üblichen grobstolligen und lauten Profilen. Tatsächlich hat die Reifenentwicklung diesen Mangel längst eliminiert. Und noch ein wirtschaftlicher Aspekt: Die Entwicklungsingenieure der Reifenhersteller haben bei vergleichenden Messungen festgestellt, dass der Abrieb von Sommerreifen bei kalter Fahrbahn höher ist als von Winterreifen. Diese für Laien zunächst kaum nachvollziehbare Tatsache ist verbürgt und beruht auf mischungstechnischen Effekten. Bei Versuchen von Conti wurden bis zu 20 Prozent mehr Verschleiß mit Sommerreifen im Winterbetrieb gemessen.

Zunehmend rollen Neufahrzeuge mit Reifendruck-Kontrollsystemen und selbsttragenden Runflat-Reifen vom Band, bei einigen BMW-Modellen sind sie bekanntlich Serie. Fahrzeuge, die ab Werk mit Sommer-Runflat-Reifen geliefert wurden, sollten auch mit der entsprechenden Winterversion ausgerüstet werden. Dabei ist selbstverständlich, die Winterräder mit Radsensoren auszustatten, falls ein direkt messendes Fülldruck-Kontrollsystem an Bord ist. Eine Deaktivierung des Systems wird von den Automobilherstellern abgelehnt und ist auch aus zulassungsrechtlichen Gründen problematisch, weil es Bestandteil der Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) ist. Wenn der Kunde (etwa aus Kostengründen) auf Rädern ohne Sensoren besteht, erfolgt die Montage auf seine Verantwortung. Der Reifenhändlerverband BRV empfiehlt allen Werkstätten dringend, sich diesen Sachverhalt schriftlich bestätigen zu lassen. Bei indirekt messenden Systemen ohne Sensoren sind keine besonderen Vorkehrungen erforderlich.

Die aktuellen Neuheiten auf dem Winterreifenmarkt stellen wir Ihnen morgen auf www.kues.de vor.

Text: Klaus-Peter Backfisch

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