Buchtipp der Woche

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Christel Peters: Jetzt wird aber Dampf gemacht! Mein Leben. Lübbe Verlag; 8,95 Euro.

In einem Alter, in dem wohl die meisten Menschen schon eine gewisse Ruhestands-Routine haben, wurde Christel Peters zum Werbestar, an dem niemand vorbeikam. Da hatte sie schon über 50 Jahre Erfahrung als Schauspielerin, und vor allem die Theaterbühnen lagen ihr am Herzen. Und eigentlich hatte sie zum Casting für die Werbekampagne eines bundesweit bekannten Elektronik- und Medienkaufhauses überhaupt nicht gehen wollen. Aber ihre Agentin ließ nicht locker, und so wurde aus der 73-jährigen Christel Peters die Mutter aller Schnäppchen.

Dabei war ihr, die nach eigener Aussage zwar beim Einkaufen eine gewisse Sparsamkeit beachtet, aber keine Schnäppchenjägerin ist, die Mutter aller Schnäppchen alles andere als fern. Die energische Dame, die ihren Lieben auch im hohen Alter noch auf die Finger schauen muss, ist seit Jahren ihre Paraderolle. Immerhin brachte sie als seine frühere Lehrerin sogar den blasierten Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (alias Jan Josef Liefers) im Tatort erstens zum Schweigen und zweitens auf die richtige Spur. Die Beschreibung ihres Lebens schließt Christel Peters mit dem Hinweis auf die bevorstehenden Dreharbeiten für Sommer vorm Balkon ab. In dem Erfolgsfilm des jungen Regisseurs Andreas Dresen spielte sie die zunehmend verwirrte Helene, die von ihrer Pflegerin mit viel Zuneigung und Respekt gepflegt wird, bis sie – ungeachtet ihres hohen Alters sehr plötzlich – stirbt.

Christel Peters ist im Januar 2006 90 Jahre alt geworden. Weiterhin liest sie Drehbücher, wirkt bei Dreharbeiten mit, merkt sich Texte, wiederholt mit professioneller Geduld auch minutenkurze Einstellungen bei Dreharbeiten so lange, bis der Regisseur zufrieden ist … nach eigener Aussage wollte sie nie mehr werden als eine gute Schauspielerin, die ihrem Publikum als solche gute Arbeit liefert. Das ist ihr, ohne jeden Zweifel, gelungen.

Dabei ist es nicht so, dass Christel Peters den Erfolg als Werbestar gebraucht hätte, um glücklich zu werden. Denn ihr eigentliches Zuhause war ja das Theater, und in die Schauspielerei wurde sie schon durch ihr Elternhaus quasi hineingeboren. Ihre erste Ehe hielt nur sehr kurz, früh fand sie sich als allein erziehende Mutter zweier Töchter in den Wirren des Zweiten Weltkriegs. Unterkriegen ließ sie sich nie, das ist nicht einfach dahingeschrieben, das glaubt man beim Lesen ohne weiteres. Unserer schnellebigen Zeit begegnet sie mit sympathischer Skepsis; wenn sie etwa stark bezweifelt, dass eine Liebesbotschaft, statt per Brief als SMS geschickt, irgendeinen Charme entfalten könne, mag man ihr nur zustimmen. Sie selbst ist eine Anhängerin der Briefkultur, und auch das mag dazu beigetragen haben, dass ihre (zweite) Ehe seit fast 60 Jahren glücklich ist. Ihr Mann arbeitet im selben Metier wie Christel Peters selbst, doch als eines der Rezepte für eine lange Ehe (wenn sie überhaupt welche benennen soll) gibt sie an: Zwar tauschten und tauschen sich beide über alles aus, verbitten sich aber gegenseitiges Reinreden. Eine solche Haltung darf man mit Fug und Recht als modern bezeichnen. Und auch sonst will beim Lesen so gar nicht in den Kopf, dass diese quirlige Frau 90 Jahre alt und seit 75 Jahren in der Schauspielerei tätig sein soll. In ihren eigenen Kopf, das gibt Christel Peters freimütig zu, wollen beide Tatsachen auch nicht so recht. Das kann nur gut sein – und beschert uns die Aussicht auf weitere vergnügliche Filme mit der Mutter aller Schnäppchen, die genau das eigentlich gar nicht hatte werden wollen.

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