Erste Erfahrungen: Ford Focus ST

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Mit Modellen wie dem Capri, dem Escort RS oder dem Sierra Cosworth, der Einfachheit halber als Cossie in den Slang der automobilen Breitband-Enthusiasten eingegangen, hatte sich Ford einst einen Namen als Schöpfer nicht nur schneller, sondern auch schöner und darüber hinaus auch noch alltagstauglicher Autos gemacht. Mehr als 20 Jahre lang versteckten die Kölner danach ihre glänzenden Zeugen einer glorreichen Vergangenheit und versuchten sich statt dessen in der Kunst, das ultimative Fahrzeug mit der breitesten Ablage für die gehäkelte Klopapier-Rolle zu kreieren oder mit Fahrzeugen wie dem Scorpio jeglichen Designer-Generationen den Glauben an die Notwendigkeit der eigenen Existenz zu rauben.

Langsam, ganz langsam, kam Ford nach dem verhängnisvollen Dornröschenschlaf auf den Trichter, dass man mit Autos, die nicht nur gebaut wurden, damit sie ihre Insassen möglichst unauffällig von Punkt A nach Punkt B bringen sollen, wieder aus den Niederungen der Zulassungsstatistik nach oben kommen könnte. Mit Modellen wie dem Ka, dem Streetka, oder flotten kleinen Fiestas mit schnurrfreudigen Diesel- und Ottomotoren legten die Kölner den ermutigenden großen Gang back to the roots ein. Jetzt ist das vorläufige Ende des emotionalen Drehmomentbands vorerst erreicht. Das Produkt heißt Focus ST, der schnellste jemals gebaute seiner Art und ist eine Art Mittelding zwischen Nürburgring und Nostalgie-Bewältigung.

Mit dem Focus ST begeben sich die Kölner in eine heiß umkämpfte Klasse. Oben thront als Zeus im Olymp der sportlichen Kompaktwagen-Klasse der VW Golf GTI, der einst ein neues Fahrzeug-Segment installierte. Doch alltagstaugliche Spaßmobile wie der Opel Astra OPC, der Renault Clio Sport oder die Evo-Modelle von Mitsubishi machen ihre Ansprüche geltend. Willkommen im Haifischbecken der Supersportler aus der Kleingeld-Abteilung. Ab 12. November rollen die 225 PS des Focus ST, wohl verpackt in eine aufregend schöne Form und einen ebensolchen Innenraum auf die Straße. Der Anspruch des Neuen ist deutlich sichtbar gemacht: Ein schwungvolles ST (steht für Sports Technology) prangt auf Kotflügeln und Kofferraumdeckel und lässt ahnen, was sich unter der Haube des mit einem markanten Heckspoilers ausgestatteten Focus verbirgt: Pure Kraft, die aber variabel einsetzbar ist. Das jedenfalls war unser Eindruck bei den Ersten Erfahrungen mit dem Focus ST.

Dank eines früh einsetzenden Drehmoments lässt sich der neue Über-Focus fast wie ein moderner Common-Rail-Diesel fahren, man kann sich aber auch am Schaltknüppel austoben und das Drehmomentband bis zum Exzess ausloten. Der 2,5 Liter große Fünfzylindermotor, ebenso wie das Sechsgang-Getriebe bei der Konzern-Schwester Volvo ausgeliehen, erreicht seine maximale Leistung schließlich erst bei 6000 Umdrehungen. Doch bereits bei 1600 Touren stehen 310 Newtonmeter zur Verfügung, sodass sich auch bei schaltfauler Fahrweise sportliches Feeling einstellt. Ford hat aus dem Volvo-Aggregat fünf PS mehr gezaubert und seinen Drehmomentverlauf geändert. Weil der Focus auch deutlich leichter ist als sein Volvo-Kollege, gebärdet er sich ausgesprochen flink und agil. 6,8 Sekunden braucht er, um auf Tempo 100 zu kommen und seine Höchstgeschwindigkeit von 241 km/h ist die ernst gemeinte Aufforderung zum festen Tritt aufs Gaspedal. Ford gibt den Durchschnittsverbrauch mit 9,2 Liter an, unsere von uns selbst ermittelten Werte bei den ersten Testfahrten lagen um gut 20 Prozent darüber.

Die Kraft bereit zu stellen, ist das eine Thema, sie aber auch vernünftig und sicher auf die Straße zu bekommen das andere. Daher wurde das Fahrwerk um eineinhalb Zentimeter tiefer gelegt, stärkere Bremsen genommen, die Lenkung direkter ausgelegt sowie Federn und Dämpfer straffer abgestimmt. Dem ESP haben die Entwickler zudem einen größeren Toleranzbereich zugebilligt. All diese Maßnahmen kommen dem Focus ST im Gesamtpaket zugute. Der sportliche Kölner macht im Fahrverhalten einen präzisen und ausgewogenen Eindruck, das gilt sowohl für enge Haarnadelkurven wie auch schnelle Geradeaus-Passagen. Und stets hat man das beruhigende Gefühl eines engen Kontaktes zur Fahrbahn. Für die geeignete akustische Untermalung des Vergnügens sorgt ein eigenes Soundsystem, mit dem das Ansauggeräusch direkt vom Motor in den Innenraum übertragen wird. Die Drehorgel-Skala reicht vom braven Kaltblüter bis zum bissigen Wolf im Schafspelz.

Für die optische Transparenz der Leistung und den Anspruch des Fahrzeuges sorgen eine an das Ford World Rallye Car angelehnte Karosserie mit markantem Heckspoiler, zwei Auspuff-Endrohren, einer Bugschürze mit weit blähenden Nüstern, wuchtigen 18-Zoll-Felgen und einem Spiegelgehäuse in Wagenfarbe, in dem erstmals bei Ford auch die Blinker integriert sind. Richtig aufregend wirkt der neue Focus ST in der Lackierung Electric Orange, die sich an einem exzentrischen Lamborghini-Farbton anlehnt. Nur Ignoranten werden sich dabei daran erinnert fühlen, dass mit ähnlich gespritzten Fahrzeugen ihre Durchfahrtsstraße gekehrt wird.

Um dem Focus ST den ultimativen Rallye-Charakter zu nehmen, wird er als Drei- wie auch als Fünftürer angeboten. Recaro-Sitze, ein dicker Lederkranz am Lenkrad, Alu-Pedalerie mit Gumminoppen sowie der im Fond eingebaute Kindersitz beißen sich also nicht. Für die Familien-Freundlichkeit des schnellen Focus sprechen aber nicht nur der Kindersitz, ein großer Kofferraum, sondern auch sein Einstiegspreis von 24.200 Euro, der weit unter dem vergleichbarer Konkurrenten liegt.

Text: Jürgen C. Braun

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