21.000 Gäste besuchten die elfte Challenge Bibendum (18. bis 22. Mai 2011) auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin. Beim Mega-Event des französischen Reifenherstellers Michelin betonten Gastredner aus Industrie, Wirtschaft und Politik die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit, um gemeinsam Lösungen für die Mobilität von morgen zu entwickeln. Michelin-Präsident Michel Rollier erklärte, um den Traum zu erhalten, müssen intelligente Systeme geschaffen werden, damit die Bedürfnisse der Menschen nach individueller Mobilität weiterhin erfüllt werden. Erstmals war die Show an zwei Tagen für die Öffentlichkeit zugänglich. Viele unternahmen Probefahren oder wurden von Experten gefahren.
Ziel der Challenge Bibendum war es, realistische Lösungen für saubere, sichere und vernetzte Mobilität im Straßenverkehr zu finden. Automobilhersteller, Zulieferer und Forschungsinstitute aus der ganzen Welt präsentieren in Berlin mehr als 280 Serienfahrzeuge, Prototypen oder neue Modelle: Elektromotorrad, Hybridautos oder Busse mit alternativem Antrieb.
In Konferenzen referierten Wissenschaftler, Ingenieure und Vertreter politischer Institutionen zu Themen wie Biodesign, Reduzierung von Schadstoffemissionen und Fahrzeuggeräuschen sowie Fragen des Frachttransports. Ein wichtiges Ziel wurde bereits erreicht: Den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Entscheidungsträgern zu fördern. Das Podium teilten sich Vorstände aus der Automobil- und Zulieferer-Industrie, öffentliche Amtsträger sowie weitere Vertreter der Industrie. Dabei profitierten die Gespräche auch von ungewohnten Zusammensetzungen: So traf ADAC-Präsident Peter Meyer auf die Schauspielerin Michelle Yeoh, bekannt als Bond-Girl und mittlerweile FIA-Botschafterin für Verkehrssicherheit.Diskutiert wurde über Lithium-Ionen-Akkus und Brennstoffzellen für mehr Effizienz und Sicherheit im Personen- und Gütertransport. Aus Sicht der Experten sind praktikable und bezahlbare Anwendungen für Lithium-Ionen-Akkus im Straßenverkehr bereits in den kommenden fünf bis sieben Jahren zu erwarten: Der Akkupreis wird voraussichtlich auf 250 Euro pro kWh Leistung sinken. Die Zyklusdauer wird absehbar auf 1.500 Ladezyklen steigen, während die Energiedichte der Zellen über 150 Wh pro Kilogramm erreichen dürfte. Bei ausschließlich mit Batteriekraft betriebenen Fahrzeugen rechnen die Fachleute noch mit schwer einschätzbaren Preisen für die Akkus. Nach Expertenmeinung werden sich die Kosten für Module, die für eine Reichweite von 100 Kilometern ausgelegt sind, zwischen 2.000 und 10.000 Euro bewegen. Bei der doppelten Reichweite steigt der Preis entsprechend. Ein kleinerer Lithium-Ionen-Akku für einen Plug-in-Hybrid kostet in absehbarer Zeit voraussichtlich rund 1.500 bis 3.000 Euro.
Auch für Wasserstoff-Brennstoffzellen dürften die Preise weiter sinken: Erwartet werden Kosten von rund 100 Euro pro kW. Die Lebensdauer der Aggregate wird absehbar auf über 3.000 Ladezyklen steigen. Das ermöglicht eine Nutzung von über fünf Jahren. Die erzielbare Energiedichte sehen die Experten bei rund einem kW/kg.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Entlastung der Straßennetze im Stadtverkehr. Als beste Lösung definierten die Fachgremien den konzentrierten Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Dabei sehen sie die schnellste und kostengünstigste Lösung im Einsatz von Bussen. Der Wirkungsgrad der Busse lässt sich zudem durch Hybridtechnik und Elektroantrieb weiter verbessern. In der Lkw-Logistik für den Regional- und Fernverkehr empfahlen die Profis moderne und effiziente Lkw mit hohem Wirkungsgrad. Für den städtischen und den Fernverkehr sehen sie Hybrid-Lkw als die sauberste Lösung.
In der Verkehrssicherheit erbrachten die Workshops ebenfalls wichtige Ergebnisse: So veranschlagten die Diskussionsteilnehmer eine Rendite von 15 Euro für jeden investierten Euro in die Sicherheit des Straßennetzes. E-Mobile, Modelle mit Hybrid- und Brennstoffzellentechnologie sowie seriennahe Fahrzeuge mit wirtschaftlichen Verbrennungsmotoren starteten bei drei Wettbewerben. Die Sieger in zehn Kategorien zeichnen sich durch niedrigen Energiebedarf, niedriges Geräuschniveau sowie geringe Well-to-Wheel- und lokale CO2-Emissionen aus.
In der 300 Kilometer langen Intercity-Rallye Berlin–Linthe–Berlin stellten sich 36 Fahrzeuge in vier Klassen dem Parcours inklusive Zeitprüfungen, Handling-, Brems- und Beschleunigungswertung. In der Kategorie Prototypen setzte sich der Audi A3 TCNG mit Erdgasantrieb an die Spitze, während bei den Serienfahrzeugen der Porsche Panamera S Hybrid die Punkteränge anführte. Unter den Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb siegte in der Intercity-Wertung der Toyota FCHV. Bei den Serienfahrzeugen mit reinem Elektroantrieb sicherte sich der Fluence Z.E. den ersten Platz. Die Stufenhecklimousine erhielt zudem den Preis für die höchste Energieeffizienz.
In dem Rennen Linthe–Berlin über 120 Kilometer gingen ausschließlich batteriebetriebene Fahrzeuge in zwei Fahrzeugklassen an den Start. In der Kategorie Concept Cars teilte sich der sportliche E-RA von RaceAbout, den finnische Studenten von der Universität Helsinki entwickelt haben, den ersten Platz mit dem Lupo EL. Der kompakte Volkswagen diente Studenten der Universität Eindhoven als Basis für ihr fortschrittliches Batteriefahrzeug mit Elektromotor. In der zweiten Wettbewerbsklasse fuhren gleich drei Fahrzeuge auf den ersten Podiumsplatz: Der Audi A3 e-tron, der Mercedes A Class E-CELL und der Volvo C30 Electric platzierten sich in den Punkterängen gleichauf. Überraschend war der Auftritt des aus der „Sesamstraße“ bekannten „Grobi“. Das weltweit bekannte Fernsehformat erreicht täglich 100 Millionen Kinder in vielen Sprachen und leistet so einen sehr wichtigen Beitrag zur Verkehrserziehung rund um den Globus. Weltweit sterben statistisch pro Tag 365 Menschen bei Verkehrsunfällen. Eines der zentralen Anliegen der Michelin Challenge Bibendum ist es, die Sicherheit im Straßenverkehr nachhaltig zu erhöhen.
Tausende Studenten informierten sich über aktuelle und zukünftige Möglichkeiten der Mobilität und konnten beim Ride & Drive umweltschonende Serienfahrzeuge und spektakuläre Concept Cars live erleben. Über 270 Fahrzeuge erwarteten die Hochschüler: E-Bikes, Pedelecs (Pedal Electric Cycle), agile Leichttransporter für den urbanen Nahverkehr standen ebenso zum Selbst- und Mitfahren bereit wie Familienvans, Limousinen und sportliche Zukunftsstudien mit Brennstoffzellen-, Gas- oder Batterieantrieb.
Im International Innovation Workshop steuerten Studenten eigene Antworten zu wichtigen Verkehrsfragen bei. Die Hochschüler aus sechs Ländern erarbeiteten innerhalb einer Woche Lösungen zu drei Kernfragen der Mobilität: Kreative Lösungen wie Smartphone-Applikationen, fahrende Ladestationen für kompakte Elektroautos und ein Airbagprotektoren-System, das kleine Kinder bei Verkehrsunfällen schützt, demonstrierten, auf welche Weise sich die nächste Generation den Mobilitätsfragen der Zukunft widmet.
Die Reduktion von CO2-Emissionen hängt auch vom Reifen ab: 20 Prozent der für den Vortrieb eines Autos notwendigen Energie gehe auf den Reifen zurück, bei elektrisch betriebenen sogar 30 Prozent. In den vergangenen knapp 20 Jahren habe Michelin durch Technologieschübe in den Reifengenerationen dafür gesorgt, dass 14 Milliarden Liter Kraftstoff – entsprechend 35 Millionen Tonnen CO2 – eingespart worden seien. Um den Materialeinsatz besonders vor dem Hintergrund der zu erwartenden Verdoppelung des Welt-Fahrzeugbestandes von jetzt 800 Millionen auf 1,5 Milliarden Fahrzeuge in weniger als 30 Jahren begegnen zu können, müsse der Materialeinsatz immer effizienter werden.
Text und Fotos: Erwin Halentz