In den vergangenen Jahren hatten die Besucher der Essen Motor Show in zunehmendem Maße den Rücken gekehrt. Doch in diesem Jahr haben die Veranstalter offensichtlich mit einem neuen Konzept – um in der bildhaft angebrachten Sprache zu bleiben – das Ruder herumreißen können. „Zurück zu den Wurzeln“ hieß es in den elf Hallen und im angrenzenden Freigelände, der Motorsport stand wieder mehr im Fokus als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Allzu schrilles, viele Absurditäten und Kuriositäten wurden etwas „eingedampft“ und die Veranstaltung auch wieder etwas mehr als Teileshow für begeisterte Tuningfreaks moduliert, die ihrer Leidenschaft auch im wirklichen Leben nachgehen konnten. Von daher waren die Veranstalter mit dem Ergebnis der Besucherzahl gegenüber dem Vorjahr (leichtes Plus) durchaus zufrieden.
Die Essen Motor Show soll demnach in Zukunft ihren Platz als krönender Höhepunkt des Jahres wieder stärker manifestieren als dies bisher der Fall war. Am Ende des Jahres, wenn die Automessen von Genf und Paris mit ihren Neuheiten vorbei sind, soll die Megashow in der Ruhrmetropole einem ganz bestimmten Klientel von Freunden des Automobils zeigen, dass das Automobil als Lust- und Kultobjekt durchaus alltagsfähig sein kann.
Rund 500 Aussteller aus 14 Nationen waren in diesem Jahr dabei, darunter auch die Autohersteller Alfa Romeo, Honda, Hyundai, Škoda, Opel, Ford, Porsche und Daimler. Hingucker waren aber weniger deren Neuvorstellungen, sondern die PS-Protze und Exoten. Zu den ungewöhnlichsten Fahrzeugen gehört der Wind Up, das kleinste straßenzugelassene Auto der Welt. Mit 1,29 Metern Länge ist er nicht einmal halb so groß wie ein Smart Fortwo, bietet aber auch nur Platz für einen (kleinen) Insassen. Anders als es der Name suggeriert („Wind Up Car“ heißt so viel wie „Aufziehauto“) sorgt ein 150 ccm Go-Kart-Motor für Vortrieb. 60 km/h sollen möglich sein. Damit dabei die Sicherheit nicht zu kurz kommt, hat der englische Erfinder Perry Watkins seinem Mini-Mobil sogar Sicherheitsgurte verpasst.
Noch seltsamer mutete das zweite in Essen ausgestellte Fahrzeug von Watkins an: Der „Fast Food“, der schnellste Restaurant-Tisch der Welt. Dabei handelte es sich wirklich um eine festlich gedeckte Tafel, unter der sich jedoch ein Renner mit einem 330 PS starken V8-Rover-Motor versteckt. Daran nimmt der Fahrer Platz, getarnt durch einen Truthahn-Aufsatz. Für Betrachter wirkt das so, als würde eine menschengroße Stoffpuppe am Tischende das Gefährt steuern.
Kaum weniger gewöhnungsbedürftig trat der Supersportwagen Sbarro Autobau auf. Die Design-Mischung aus U-Boot und Riesenflunder hatte im Frühjahr bereits die Besucher des Genfer Automobilsalon polarisiert. Während Schönheit jedoch im Auge des Betrachters liegt, kann Alltagstauglichkeit objektiver bewertet werden. Und auch da geht der 500 PS starke Zwölfzylinder-Sbarro eigene Wege: Wer einsteigen will, muss das Dach nach vorn klappen.
Fast schon konventionell mutet da der neueste Über-Bolide von Brabus an, eine leistungsgesteigerte Mercedes S-Klasse. Der SV12 R Biturbo 800 kommt auf 800 PS und ein elektronisch begrenztes maximales Drehmoment von 1100 Nm. Entsprechend brachial sind denn auch die Fahrleistungen. In Kombination mit einer Fünfgangautomatik beschleunigt die große Limousine in 3,9 Sekunden von null auf 100 km/h, Tempo 200 ist nach 10,3 Sekunden erreicht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt, elektronisch abgeregelt, bei 350 km/h. Daneben gibt es wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm. Qualmende Motorradreifen gibt es auf der Speed Bike Show zu sehen; Drift-Profis zeigen, wie schnell man mit Autos quer fahren kann. Fans hochmotorisierter Oldies kamen bei der Hot Rod Sonderschau auf ihre Kosten.
Am Stand der Initiative TUNE IT! SAFE! waren zwei Prüfingenieure der KÜS gesuchte Gesprächspartner. Egal ob es um Räder oder Reifen ging, Fahrwerke oder Spoiler – Thomas Schuster und Stefan Ehl gaben kompetente Auskunft. Mit dem schnellen Online-Zugang in die Datenbanken der KÜS und dem Fachwissen als Prüfingenieur waren sie dafür bestens gerüstet. Am Stand des Verbandes der Automobiltuner VDAT hat TUNE IT! SAFE! traditionell ihren Standort, sicheres Tunen ist die Botschaft der Initiative. In ideeller Trägerschaft des Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gehören ihr unter anderem die Polizei, Verbände, Prüforganisationen und Hersteller an.
Am Rande der Essen Motor Show hatte der Bundesgeschäftsführer der KÜS, Peter Schuler, Gelegenheit mit dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Andreas Scheuer, ein Gespräch zu führen. Es ging dabei um die gesetzliche Fahrzeugüberwachung und allgemeine Themen der Verkehrssicherheit. Dr. Scheuer zeigte sich sehr interessiert an der Tätigkeit der KÜS. Er war im Sommer Schirmherr der Verkehrssicherheitsaktion „Jung fährt sicher 2.0“ der KÜS, es ging dabei um junge Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Oliver Kleinz