Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Glaubt man den mit Leichenbittermiene vorgetragenen Prognosen unserer führenden Wirtschaftsexperten aus dem Bereich der Automobil-Industrie, dann steht der deutsche Automarkt, also Hersteller, Händler, Werkstätten und auch zum Teil die Assekuranzen, vor dem globalen Kollaps. Die Blicke in die Zukunft der Herren Dudenhöfer und Co. verheißen nichts Gutes. Eine Million verkaufter Autos weniger 2010 als im vergangenen Jahr, ein gesättigter Markt und Halden von gebrauchten Fahrzeugen, die (noch) größer werden.
So schön, so schlecht: Allerdings frage ich mich bei den zahlreichen Stellungnahmen, die derzeit im Rahmen der Berichterstattung von der Automobilmesse in Detroit über die Mattscheibe laufen, ob da noch irgendein Körnchen an Neuigkeitsgehalt drin steckt. Was wollen uns die Vorhersage-Spezialisten im dunklen Anzug da eigentlich mitteilen? All das, was jetzt als das große Bange machen für die nahe Zukunft verkauft wird, stand doch im vergangenen Jahr schon fest. Nur dass in der allgemeinen Abwrack-Euphorie die wenigsten so weitsichtig waren, um zu erkennen, dass die Auswirkungen dieser staatlichen Anschubhilfe zu Zeiten der Wirtschaftskrise in nächster Zukunft als Bumerang zurück kommen würde. Wem, bitte schön, wollen unsere Hersteller und Händler denn vor der Haustür noch Autos, vor allem aus dem Kompaktfahrzeugbereich, verkaufen, wenn sich im vergangenen Jahr Gott und die Welt dank staatlicher Subventionen neu mobilisiert hat?
Während die großen Konzerne (mal wieder) aufs Exportgeschäft schielen und neu entdeckte Märkte im nahen und fernen Osten als Ersatz-Spielplätze assoziieren, bleibt dem Händler an der Basis nichts anderes übrig, als mit den Verhältnissen zu leben, die er nun vorfindet. In einem Guerilla-Kampf der Rabattschlachten wird er versuchen, seine Margen aus den übrig gebliebenen Verkäufen zumindest ansatzweise so zu gestalten, dass er davon (über)leben kann. Den Rest machen – wo denn Werkstätten angeschlossen sind – Service, Wartung und Reparatur. Man muss kein großer Prophet sein, um vorher zu sagen, dass manch einer über die Wupper geht, der sich als kleiner Autohändler in diesem Szenario einfach nicht mehr halten kann. Traurig, aber wahr und auch keine große Neuigkeit zu Beginn dieses Jahres. Das alles war im vergangenen Jahr bereits abzusehen.
Weitaus spannender dagegen die Frage, ob und wie die deutschen Hersteller mit Modellen, über die in den USA in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten meist die Nase gerümpft wurde, jetzt Verkaufserfolge auf der anderen Seite des Großen Teiches verzeichnen können. Ford mit dem Fiesta oder auch Volkswagen mit einem Polo oder Golf à la Blue Motion versuchen derzeit in Detroit, den Amis klar zu machen, dass Verzicht auch Vergnügen bedeuten kann. Kein leichtes Unterfangen zwischen Atlantik und Pazifik, wo traditionell der große Überfluss in allen Bereichen der privaten Mobilisierung herrschte. Aber auch Uncle Sam ist sensibler geworden, nachdem seine Ikonen wie General Motors oder Chrysler nur dank der großzügigen Spritzen aus dem Weißen Haus einigermaßen den Hals aus dem Wasser recken konnten. Von daher könnten die deutschen Hersteller also momentan kein besseres Terrain und keinen geeigneteren Zeitgeist für ihre Produkte der neuen Bescheidenheit finden.
In diesem, etwas nachdenklichen, Sinne wünsche ich Ihnen ein angenehmes Wochenende und hoffe, dass wir alle von den Unbilden der Witterung auf unseren Straßen einigermaßen verschont bleiben.
Ihr Jürgen C. Braun