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Rüdiger Warnstädt: …immer wieder Warnstädt. Edition Hüne; 15,90 Euro.

Über Jahrzehnte hinweg hatte er regelmäßig einen vollen Saal als Richter. Jetzt hat er regelmäßig einen vollen Saal als Erzähler seiner eigenen Bücher. Denn Rüdiger Warnstädt, bis zu seiner Pensionierung über 30 Jahre als Amtsrichter in Berlin wirkend, ist ein Autor, dessen Bücher Spaß machen. Und bei seinen (inzwischen zahlreichen) Auftritten liest er nicht bloß ab oder vor, sondern erzählt.

Nun hat der Versuch, etwas Juristisches einem breiten Publikum ebenso unterhaltsam wie informativ anzubieten, schon Tradition. Ältere Semester mögen sich noch an Gerd Jauchs TV-Sendung Wie würden Sie entscheiden, in der das Publikum ausdrücklich aufgefordert wurde, zu den gezeigten Fällen selbst ein Urteil zu bilden – das dann mit dem tatsächlich gesprochenen Urteil und seiner Begründung verglichen wurde. Was heute über den Bildschirm flimmert, sind Gerichtsshows, auf welche diese Bezeichnung vor allem wegen der zweiten Worthälfte zutrifft. Und renommierte Juristen wie Uwe Wesel, emeritierter Hochschullehrer, haben ebenso redliche wie populäre Bücher über ihr Fachgebiet verfasst. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Rüdiger Warnstädt freilich hat seinen ganz eigenen Ton gefunden, um auch im so genannten Ruhestand nicht von der Juristerei zu lassen. In seinem neuen Buch, unterteilt nicht in Kapitel, sondern in Auftritte, erfährt man neben Begebenheiten aus seiner beruflichen Tätigkeit noch allerlei über seine kulturellen Vorlieben und Beobachtungen. Er ist Theaterkenner, Literaturinteressierter (nach eigenem Bekunden mit einer Vorliebe für Kurt Tucholsky), er hat klare Vorlieben und Abneigungen. Und was ihn besonders sympathisch macht: Er beobachtet nicht nur sehr genau, sondern er hütet sich auch davor, eine Mode einfach nur deswegen mitzumachen, weil's gerade mal eine Mode ist und vielleicht der eigenen Popularität dient.

Wie ist es möglich, dass nach deutschem Recht ein Mann zur Unterhaltszahlung für ein Kind verpflichtet wird, selbst wenn er nicht der Kindsvater sein kann? Was macht den Reiz eines Örtchens namens Lunzenau aus, das den wenigsten Menschen außerhalb von Lunzenau ein Begriff sein dürfte? Und wie ist es möglich, dass man sich in so einem komplizierten Gebiet wie der Juristerei auf der Karriereleiter sehr weit nach oben begibt, ohne allzu viel zu verstehen von diesem Gebiet? Diese Antworten (und etliche mehr) findet man hier.

Ein Buch, mit dem man sich amüsiert, über dessen Inhalte man schmunzelt, aber oft genug auch den Kopf schüttelt – genau das Richtige für eine Aneinanderreihung freier Tage, die uns jetzt bevorstehen. Und nach der Lektüre hat man vieles gelernt, ohne in dem Gefühl zu verbleiben, belehrt worden zu sein.

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