Jahrelang genoss sie das Privileg, nicht nur die Weltmeisterschaft eröffnen zu dürfen, sondern als Mutter aller Rallies eine Sonderstellung einzunehmen. Von der Rallye Monte Carlo sprach im Vorfeld eigentlich niemand, doch die Monte war stets in aller Munde. Mit Rallye-Mythen wie der Nacht der langen Messer oder dem gnadenlosen Kampf über und gegen den sagenhaften Col de Turini setzte sie Maßstäbe. Am Wochenende, vom 21. bis 24. Januar, wurde die Monte wieder gefahren. Und nach langer Zeit unter Vorzeichen, die die traditionsreichste Veranstaltung im Zirkus Quertreiber zu einem ganz normalen Event degradierte. Bei Sébastien Ogiers Erfolg im Peugeot 207 S 2000 triumphierte nicht nur ein Gaststarter, der vom belgischen Kronos-Team eingesetzt wurde, sondern die Mutter aller Rallies verlor ihren Ruf als unumstößliches Knallbonbon zum Auftakt der WM-Saison. Monte Carlo und seine Fans huldigten der verlorenen Mutter.
Der sportlichen Leistung, und dem damit verbundenen Dreifach-Triumph des einstigen WM-Dominators Peugeot, tat dies keinen Abbruch. Obwohl die Monte in diesem Jahr, getreu dem Revirement des WM-Spektakels, nicht mehr das Eingangsportal für die Königskrönung der besten Artisten auf Eis und Schnee, auf Asphalt und Schotter war. Unvorstellbar, aber wahr: Die Monte wurde in diesem Jahr in die zweite Liga, die Intercontinental Rallye Challenge, versetzt. Das ist ungefähr so, als ob das Finale um die Kreismeisterschaft der Alten Herren des Münchener Nordens zwischen Großhadern und Fröttmanning in der Allianz-Arena ausgetragen würde.
Doch der Hintergrund der Zwangsversetzung ist nicht nur real, er ist auch gerechtfertigt. Nach 31 Jahren im Rahmen der WRC, der World Rallye Championship, versuchten die Organisatoren die Krise auch als Chance zu begreifen und alte Traditionen wieder aufleben zu lassen. Wegen des Nachtprüfungsverbotes des Weltmotorsportverbandes FIA war die Prüfung über den Col de Turini schon seit vielen Jahren nicht mehr aktuell. Am späten Freitagabend wurde sie in diesem Jahr zum ersten Mal wieder gefahren. Und die Fans kamen in Scharen zu Zehntausenden dorthin, wo einst die Herren Waldegaard, Toivonen, Mikkula oder Röhrl ihre atemberaubenden Drifts zentimetergenau zelebriert hatten.
Die Franzosen trifft die Entscheidung des Weltmotorsportverbandes FIA, in diesem Jahr nur 12 statt wie bisher 15 WM-Läufe zu absolvieren und zudem ein Rotationsprinzip der Veranstaltungen einzuführen, besonders hart. Ihr nationaler Heros, der Elsässer Sébastien Loeb, der die Szene in den vergangenen Jahren nach Belieben beherrscht hatte, wird in diesem Jahr keinen Meter französische Piste unter die Reifen seines Citroën – also auch noch einer französischen Marke – nehmen. Denn neben der Monte wurde auch der nationale französische Lauf in Korsika für 2009 abgesagt. Für die Rallye-Verrückten Franzosen schlichtweg eine Katastrophe.
Stattdessen wird in diesem Jahr zum ersten Mal in Polen um Punkte in der Rallye-Weltmeisterschaft gefahren und die richtige WM beginnt am kommenden Wochenende mit dem ersten Lauf in Irland. Der hat zwar keine richtige Tradition, dafür aber beste Aussichten, sich zumindest ernährungstechnisch erfolgreich einordnen zu können. Denn rund um die Wertungsprüfungen der irischen Paddys werden sich zumindest die Besitzer der einschlägigen Pubs freuen und manches wohl gefüllte Pint wird über den Tresen gehen. Immerhin ein kleiner Trost für alle, die seit Jahren wissen und es auch genießen, dass die Rallye-Weltmeisterschaft eben nicht nur aus Auto fahren besteht. Wenn auch Gott sei Dank immer noch zum größten Teil.
Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Peugeot, Bernhard Schoke, B. Schoke, acm, irc, Werke