Verschiedene: Huhn in Handschellen. Edition Temmen; 15,90 Euro.
Frikadellen aus Eiern, Semmelbröseln und Gewürzen. Ein Pizzateig, der auch noch ganz ohne Belag schmeckt. Mayonnaise, die nicht auf rohem Eigelb, sondern auf Milch (ja, Milch) aufgebaut wird: Das sind nur drei Beispiele für Rezepte, die aus der Not eine Tugend machen. Genauer: Aus der Not, einen Teil seines Lebens im Gefängnis verbringen zu müssen.
Um es vorweg zu nehmen: Die in der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel entstandene Rezeptsammlung verzichtet auf jedwede Rührseligkeit. Weder wird auf die Tränendrüse gedrückt noch die Justiz in irgendeiner Weise problematisiert. Sonst hätte ein solches Projekt auch kaum die Chance gehabt, als Buch veröffentlicht zu werden.
Stattdessen wird hier gezeigt, wie in Santa Fu unter erschwerten Bedingungen Leckeres entsteht. Erschwert heißt dabei, dass nur alle 14 Tage die Möglichkeit des Einkaufens gegeben ist, das zur Verfügung stehende Kühlfach nur räumlich wie zeitlich begrenzt nutzbar ist und 25 Personen sich einen Herd und einen Topf teilen. Und manches gibt's überhaupt nicht zu kaufen. Hefe zum Beispiel ist beim Knastkaufmann tabu, weil mit ihr Schnaps gebrannt werden könnte. Da heißt es: Auf Backpulver ausweichen – und die Pizza mit allem belegen, was die Köche noch übrig haben und beisteuern können.
So wird aus dem gemeinsamen Kochen ein Sich-Verständigen über das rein Kulinarische hinaus. Und das Sich-Verständigen – da sind sich die Autoren und Herausgeber einig – ist schließlich ein wesentlicher Zweck des Aufenthaltes in der JVA.
Autoren und Herausgeber – das sind gleichermaßen Gefangene wie Mitarbeiter der JVA Hamburg-Fuhlsbüttel. Und ein Teil des Bucherlöses geht an den Weißen Ring, die Organisation, die sich um Opfer von Straftaten kümmert. Mit ihrem Projekt haben sich die Initiatoren übrigens das Wohlwollen von Bundespräsident Horst Köhler gesichert. Und das von Christa Mälzer: Die Mutter von Starkoch Tim Mälzer ist selbst Gastronomin und steuert zu den ohnehin schon originellen Gerichten wirklich funktionierende Tipps zur Verbesserung bei.
Huhn in Handschellen verbindet praktische Tipps rund ums Essen mit originellen Texten und nicht minder gelungenen Illustrationen. Die Rezepte müssen einfach, lecker und preiswert sein – anders geht's unter den gegebenen Umständen gar nicht. Manchmal geht auch ein Versuch daneben, aber die sind hier ausdrücklich nicht im Detail verzeichnet.
Und so eignet sich das Buch für alle, die mit wenig Aufwand lecker und einigermaßen gesund essen wollen. Zum Beispiel als Dreingabe ins Umzugsgepäck, wenn man als Student oder Azubi die erste eigene Bude bezieht und zum ersten Mal ohne den Rundumservice im Hotel Mama auskommen muss.