„Dürfen ja, können nein!“

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Über die Probleme junger Menschen nach dem Erwerb des Führerscheins – Modell der zweiten Ausbildungsphase

Mit Vollgas in das Vergnügen oder in den Rollstuhl? Schlagwörter wie No risk, no fun oder Wer bremst, verliert, gehören zum alltäglichen Vokabel-Repertoire junger Menschen, die gerade mal wenige Tage oder Wochen im Besitz des begehrten Lappens, also der Fahrerlaubnis, sind. – Mit (Über)mut und mangelnder Erfahrung und damit auch so gut wie keinen Einsichten und Erkenntnissen stürzen sich die Führerschein-Novizen oft in den ganz normalen Wahnsinn auf unseren Straßen. Das blanke Resultat ist erschreckend und aufrüttelnd zugleich.

Junge Fahrer und Fahranfänger sind die unangefochtenen Spitzenreiter in der Unfallstatistik. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes starben im vergangenen Jahr 1.261 junge Frauen und Männer bei einem Autounfall; das sind rund 31,5 Prozent der bei Pkw-Unfällen Getöteten. Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren unterliegen einem dreimal höheren Risiko, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, als ältere Verkehrsteilnehmer. Diese Zahlen, aber auch Wege zur Therapie und zur Vorbeugung, wurden bei einem Seminar des deutschen Verkehrssicherheitsrates zum Thema Junge Fahrer deutlich. Im europäischen Vergleich lag Deutschland mit 189 getöteten 18- bis 24-Jährigen pro einer Million Einwohner dieser Altersgruppe im Jahr 2004 auf dem zehnten Platz innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten, erläuterte Ingeborg Vorndran vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden.

Das Erreichen der Volljährigkeit und der Besitz des Führerscheins: Das sind zwei prägnante Daten im Leben junger Menschen, die deren bisher gewohnten und erfahrenen Lebensraum revolutionär verändern. Das Erwachsensein wird dokumentiert durch die Erlaubnis, alleine und ohne fremde Hilfe im Straßenverkehr weiter lernen zu dürfen. So aber sehen es die wenigsten erfolgreichen Fahrschul-Absolventen. Sie glauben nun, fahren zu können und erliegen dabei doch einem schrecklichen Irrtum. Nach der Führerscheinprüfung sollen junge Leute perfekte Fahrer sein. Es gibt aber so gut wie keinen Schonraum für sie, formuliert es der Verkehrspsychologe Professor Bernhard Schlag von der TU Dresden. In Wahrheit sind die jungen Menschen völlig verunsichert.

Bis zur Führerscheinprüfung absolvieren die kommenden Verkehrsteilnehmer in den Übungsstunden bestenfalls 800 bis 1.000 Kilometer im Auto an der Seite des Fahrlehrers. Danach, so Schlag, selbst Vater von vier Töchtern, handelten die jungen Fahrer nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Eine Möglichkeit, die Unfallzahlen drastisch herunter zu schrauben, sehen viele Verkehrs-Experten und Psychologen in der so genannten zweiten Fahrausbildungsphase. Auf freiwilliger Basis wird diese ab Anfang 2007 in 14 deutschen Bundesländern eingeführt. Die Frischlinge können mit dieser Auffrischung ihres Wissens und weiteren Lernphasen ein halbes Jahr nach der Führerscheinprüfung beginnen.

Dazu gehören in einem Zeitraum von zwei bis acht Wochen drei Gruppentreffen über jeweils 90 Minuten. Diskutiert wird dabei in diesen seminar-ähnlichen Veranstaltungen vor allem über die die bisher gemachten persönlichen Erfahrungen im Straßenverkehr. Gefragt sind allerdings auch die Einschätzung eigener Stärken, Schwächen und Ängste.

Neben der blanken Theorie kommen praktische Elemente wie eine einstündige Übungsfahrt und ein Fahr-Sicherheitstraining hinzu. Dabei werden die jungen Menschen von speziell dafür ausgebildeten Fahrlehrern begleitet. Die zweite Phase kostet im Schnitt etwa 250 Euro, doch der daraus gewonnene Erfahrungswert ist materiell gar nicht hoch genug einzuschätzen, sagt Kay Schulte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Diese Phase, so Schulte ist eine Art Entdeckungsreise in die Vielfältigkeit des Straßenverkehrs.

Text: Jürgen C. Braun

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