Buchtipp – Schweizer/Faass: Neue Gärten!

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In diesem von Stefan Schweizer und Martin Faass herausgegebenen Katalogband, der parallel zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Gartenkunst Schloss Benrath und der Villa Liebermann am Wannsee erschienen ist, kann man lernen, warum und wie die wachsenden Städte des Industriezeitalters durch die Gartenkunst verändert wurden. Zugleich wird erkennbar, wie diese Veränderungen tiefgreifende Wirkungen auf die Wahrnehmung und Nutzung des Lebensortes Stadt hatten. So wie die Moderne das Leben der Menschen in allen Facetten verwandelte, prägte sie auch die Gartenkultur in einer Weise, die für uns Heutige als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird.

Oder denken Sie beim sonntäglichen Spaziergang durch den Stadtpark oder beim Flanieren durch die Villenvororte daran, dass die Gestaltung von Volksgärten und repräsentativen Villengärten als Folge einer Gartenreform um die Jahrhundertwende stattfand? In der Tat war es zu dieser Zeit, dass sich die malerischen Landschaftsgärten mit ihren Staffagen, geschwungenen Wegen und kleinen Seen in geometrisch gestaltete Gartenräume mit geraden Wegen und rechteckigen Wasserbecken verwandelten. Die in engen Wohnungen und schmutzigen Fabriken eingesperrten Stadtbewohner sollten mitten in der Stadt Erholung finden. Die Volksgärten boten ihnen Licht und Luft und ihren Kindern Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten. Auch der bürgerliche Hausgarten veränderte sich und bildete von nun an eine Erweiterung der Wohnräume.

In der Gartenbepflanzung brachte die Epoche gleichfalls Neues. Was sich etwa darin zeigt, wenn wir die erwachenden Frühlingsboten in Gelb und Blau auf städtischen und heimischen Rasenflächen oder Wiesen bewundern. Narzissen, Krokusse oder Schachbrettblumen unter Obstbäumen verwildern zu lassen, erscheint heute als eine ganz selbstverständliche Gestaltungsidee. Dazu noch very british, denkt sich mancher Spaziergänger. Dabei war es einst ein junger Gärtner aus Irland, der die englische Gartenkultur mit ihren exotischen Blumen und Teppichbeeten revolutionierte. William Robinson war ein Pionier der naturnahen Gartengestaltung. In seinem 1870 erschienenen Buch „The Wild Garden“ präsentierte er dem erstaunten Publikum seine Ideen, wie man aus heimischen Pflanzen und in England eingeführten, aber winterharten Stauden und Gewächsen, zauberhafte Gärten erschaffen könne. 1871 gründete er das Magazin „The Garden“, das bald die meistgelesene Gartenzeitschrift wurde. Auch Gertrude Jekyll, die berühmte Gartengestalterin, die mit Blumen im Garten malte, schrieb für das Blatt. Übrigens ließe sich der von Vita Sackville-West gestaltete Weiße Garten von Sissinghurst als eine spezielle Weiterentwicklung von Getrude Jekylls Idee, begrenzt auf eine Farbe, verstehen.

Diese Veränderungen waren eine Folge von geistigen Auseinandersetzungen mit den Bedingungen der Zeit, Diskussionen und nicht zuletzt machtpolitischem Kräftemessen. So wie in der Ausstellung mit über 150 Exponaten, darunter Gartenpläne, Zeichnungen, Fotografien, Kostüme, Modelle und Garten-Gemälde von Max Liebermann, Heinrich Vogeler, Max Clarenbach und Emil Nolde, erstmals eine derart umfangreiche kunst- und kulturhistorische Darstellung der Gartenkunst des frühen 20. Jahrhunderts geboten wird, liefert der Band eine spannende und lehrreiche Ergänzung. Zugleich können Leserinnen und Leser, die die Ausstellung verpassen, sich durch die Beiträge des Bandes sowie durch die zahlreichen und kunstvoll arrangierten Illustrationen der Ausstellungsexponate ein sehr gutes Bild vom Ideenreichtum und den Kontroversen dieser Epoche machen. Was nicht bedeutet, dass man die Ausstellung ruhig auslassen könne. Ganz im Gegenteil. Dies sei gerade eine Empfehlung an die Ausstellungsbesucher, sich diesen Band zuzulegen. Zumal die mühevoll zusammengetragenen Objekte kaum so schnell wieder Seite an Seite präsentiert werden. Hinzukommt, dass es (bei allem wachsenden Interesse an der Gartenkultur) auf dem deutschen Buchmarkt bisher keine so quellenkritische Darstellung jener Gartenreformbewegung aus der Feder profunder Kenner gegeben hat. Noch dazu vermitteln die Autorinnen und Autoren ihr Wissen in verständlicher, gut lesbarer Form, sodass nicht allein historisch Interessierte, sondern auch wissbegierige Gärtner ihre Freude an der Lektüre haben werden.

Entsprechend der Ausstellungsorte fokussieren sich eine Reihe von Beiträgen exemplarisch auf das Rheinland und Berlin, zugleich werden die Reform der Gartenkunst in Großbritannien und der Einfluss von Künstlern, Architekten und Gartendirektoren betrachtet. Spannend ist es ebenso von den gärtnerischen Züchtungen, der Verwendung von Blumenzwiebeln oder dem Wandel in der Züchtung von Stauden zu lesen. Der Leserschaft bietet sich derart ein aufschlussreicher Blick in einen spannenden Abschnitt der Geschichte der Gartenkunst. Das Buch wurde mit dem zweiten Preis in der Kategorie „Bestes Buch über Gartengeschichte“ des Deutschen und Europäischen Gartenbuchpreises ausgezeichnet. Zu Recht! Die Ausstellung ist in der Villa Liebermann am Wannsee in Berlin noch bis zum 29. Mai 2018 zu sehen.

Stefan Schweizer/Martin Faass (Hg.): Neue Gärten! Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne. Wienand Verlag; 36 Euro.

Text: Editha Weber

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