Ganzjahresreifen: Ja oder Nein?

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Die sogenannte „Goldene Reifenregel“ ist längst kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Dass von „O bis O“, also von Oktober bis Ostern, Winterreifen aufgezogen werden sollten, ist eine Eselsbrücke, die möglichst vielen Autofahrer(inn)en klar machen soll, wann es Zeit für den Fahrzeug-Untersatz mit den besten Eigenschaften für Schnee, Matsch und Eis ist. Nun wohnt nicht jeder in einem Hoch- oder Mittelgebirge, nicht jeder legt Zig-Tausende von Kilometern zurück wenn es friert und schneit, und nicht jeder ist größtenteils außerhalb unserer Dörfer und Städte unterwegs. Weshalb sich gerade jene Verkehrsteilnehmer oft die Frage stellen: „Warum soll ich das Geld für einen Satz Sommer- und einen Satz Winterreifen ausgeben? Für mich tut es doch auch ein Ganzjahresreifen. Oder etwa nicht?

Eine Gretchenfrage, deren Beantwortung auch der Reifen-Industrie nicht (immer) leicht fällt. Einerseits gilt es für die Hersteller, unterschiedliche Produkte für Sommer und Winter mit den jeweiligen besten Lauf- und Handling-Eigenschaften für die betreffende Jahreszeit ständig weiterzuentwickeln. Andererseits soll auch eine Klientel bedient werden, die zunehmend auf das Umrüsten verzichtet. Weil dieses Vorgehen aus ihrer Sicht weder notwendig noch praktikabel ist. Eine Zwickmühle, in der sich die Reifenbauer da befinden. Zudem gibt es aber auch wirtschaftliche Zwänge, denen sie sich auf Dauer nicht verschließen können.

Vor diesem Hintergrund bietet jetzt auch Continental, der Marktführer bei Winterreifen, erstmals einen Ganzjahresreifen mit Premium-Qualitäten an, den AllSeasonContact. Der Pneu, ausgestattet mit Laufrichtungs-gebundenem Profil, ist seit September auf dem Markt. Zwar befürworte der Hannoveraner Reifenhersteller nach wie vor eine saisonale Bereifung, sagt Conti-Experte Andreas Schlenke: „Im Winter sind Winterreifen die beste Lösung und im Sommer Sommerreifen.“

Doch unter „bestimmten Voraussetzungen“ sei ein Ganzjahresreifen durchaus angebracht. Dazu gehörten dann Parameter wie ein gemäßigtes durchgängiges, Klima, eine geringe Kilometerleistung und ein möglichst großer Anteil an Verkehrsaufkommen in der Stadt oder überhaupt in bewohnter Umgebung. Ab dem 1. Januar 2018 dürfen im Übrigen keine Winterreifen mehr ohne Schneeflockensymbol verkauft werden.

Auch bei Conti wuchs der Druck vom Markt offenbar so sehr, dass man sich entschied, ein Premiumangebot einzuführen, das einen Wechsel nicht mehr nötig macht. Etwa zehn Prozent aller Verkehrsteilnehmer in Deutschland, so das Ergebnis einer Befragung, bevorzugen in der Regel einen Ganzjahresreifen, weil die Voraussetzungen für einen „Alleskönner“ auf sie zutreffen.

Vor Einbruch der kalten Jahreszeit hat Continental sein Winterreifenangebot ausgeweitet. Neben dem TS 866 und dem TS 850 P hat der Hersteller den WinterContact TS 860 S neu in sein Portfolio aufgenommen. Der Neue ist vor allem für Sportwagen und hoch motorisierte, handlingorientierte Pkws gedacht. Der Pneu ist seit Herbst in 14 Dimensionen (Breiten zwischen 225 und 315 Millimetern) im Handel. Im kommenden Jahr sollen zusätzliche Größen folgen. Das Angebot beim TS 860 S umfasst Durchmesser zwischen 18 und 21 Zoll, die Freigaben gehen bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h (Index W). Der Reifen ist in erster Linie für Produkte von Sportwagenherstellern wie Porsche, Mercedes-AMG, BMW M GmbH oder Audi Sport GmbH gedacht.

Im Mittelpunkt der Verschärfung der Winterreifenpflicht für das kommende Jahr steht die sogenannte 3PMSF-Markierung, was in den sprachlichen Alltagsgebrauch übersetzt so viel wie Piktogramm (Berggipfel) mit Schneeflocke bzw. Alpine-Symbol bedeutet.

Ein Hinweis der KÜS: Reifen, die bis zum 31. Dezember 2017 produziert und mit der Kennzeichnung M+S versehen wurden, dürfen bis zum Ende der Übergangsfrist am 30. September 2024 als Winterreifen gefahren werden. Hat der Reifen das Alpine- und das M+S-Symbol, fällt er bereits unter die neuen gesetzlichen Vorschriften und ist zeitlich unbegrenzt fahrbar. Das Herstellungsdatum ist an der Flanke in einem ovalen Feld als vierstellige Zahl vermerkt, die ersten beiden Ziffern kennzeichnen die Kalenderwoche der Produktion, die beiden letzten das Jahr.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Braun/Continental

Nach oben scrollen