Mehr SUV, mehr Premium, aber auch mehr Glaube und Vertrauen in das eigene Produkt als Kampfansage an die deutsche Konkurrenz geht nicht: Der XC90 ist nicht nur wegen seiner voluminösen Erscheinung das Flaggschiff des schwedischen Autobauers Volvo.
Das komplett in Schweden entwickelte SUV ist für die mittlerweile zum chinesischen Geely-Konzern gehörenden Skandinavier in vielerlei Hinsicht der Aufbruch in eine neue Zukunft. In unserer Testtour fahren wir mit der höchsten Ausstattungsstufe D5 AWD R-Design.
Wo vergleichbare „Dickschiffe“ aus den Häusern Audi, BMW, Mercedes-Benz, Porsche oder Range Rover in der Regel meist aufgeladene Aggregate mit sechs oder gar acht Zylindern einsetzen, gehen die Skandinavier auch bei dem 2171 Kilogramm schweren Fünfsitzer (optional Siebensitzer) den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Alles, was mehr als vier „Töpfe“ hat, passt nicht mehr in die Motoren-Philosophie des Hauses.
So leistet auch in unserem Testwagen ein 235 PS starker Reihen-Vierzylinder aus der neuen Drive-E-Generation seinen ebenso mächtigen wie unaufgeregten Dienst. Bi-Turbolader, variable Turbinen-Geometrie und ein maximales Drehmoment von 480 Newtonmetern zwischen 1750 und 2250 Umdrehungen machen daraus ein richtiges Kraftpaket. Auf langen Autobahnfahrten wie auch im Alltagsbetrieb auf verschneiten Landstraßen in Eifel, Mosel, Hunsrück gerät das über zwei Tonnen schwere Premium-SUV damit nicht ins mühselige Schnaufen.
Eine ebenso sanft wie punktgenau arbeitende Achtgang-Automatik überträgt die Kraft des Diesel-Aggregats auf den Allradler. Im unteren Drehzahlbereich empfiehlt es sich allerdings mit Hilfe der manuellen Schaltwippen am Lenkrad dem Triebwerk etwas Unterstützung zukommen zu lassen. Was allerdings den Spaßfaktor im Umgang mit dem Premium-SUV bestenfalls zusätzlich erhöht.Der XC90 ist der Höhepunkt der vorläufigen Entwicklung einer Marke, die unter der Knute der US-Mutter Ford zur Unselbständigkeit verdammt war. Die Chinesen haben dem Autobauer aus dem fernen Europa dessen Kompetenzen quasi aufgedrängt. Kaum eine andere Marke hat in den vergangenen Jahren „aus dem Stand“ so sehr ihr Gesicht, ihr Image, aber auch ihre Produktpalette konsequent geschärft und justiert wie Volvo das getan hat.
Die zahlreichen Komfort- und Sicherheitsfeatures, die unseren Testwagen prägen, legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Empfehlenswert ist es, sich vor Fahrtantritt mit den mannigfachen Möglichkeiten und Funktionen dieses rollenden Salons zu beschäftigen und in dessen Tiefen zu steigen. Der digitalen Bewältigung des Alltags entsprechend, erfolgt das „Blättern“ auf dem riesigen Display in der Armaturenmitte durch leichtes Wischen und Anklicken der angezeigten Seiten und Symbole auf dem Touchscreen.
Was zunächst in seiner verwirrenden Vielfalt eher abschreckend wirkt, löst bei intensiverer Nutzung einen regelrechten Suchtfaktor aus. Wer im digitalen Radio DAB Plus statt individuell einstellbarer Klangwelt lieber das „normale“ Hörerlebnis der Göteborger Philharmonie bevorzugt, dem kann geholfen werden: Ein Wisch, ein Klick, Platz nehmen im Konservatorium bitte.
Auf dem Weg zum (halb) automatisierten Fahren bietet Volvo im XC90 ein besonderes Assistenzsystem an, den sogenannten „Pilot Assist“, der bis zu 130 km/h selbstständig Lenkeingriffe vornimmt. Ohne auf alle serienmäßigen und optionalen Features eingehen zu wollen und zu können, darf als Fazit festgehalten werden: Volvo stellt mit dem XC90 die schöne Ordnung der Premium-SUVs auf den Kopf.
Technische Daten Volvo XC90 D5 R-Design
Ausführung: fünfsitziger SUV
L / B / H: 4,95 / 1,93 / 1,77 m
Motor: Reihen-Vierzylinder Diesel
Leistung: 235 PS
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
Antrieb: Allrad (permanent)Getriebe: Achtgang-Automatik
Leergewicht: 2171 kg (Zul. 579 kg)
Kofferrauminhalt: (2. Sitzreihe) 692 L
Preis des Testwagens: 90.200 Euro
Text und Fotos: Jürgen C. Braun