Toyota: 50 Jahre Corolla

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Toyotas Chefingenieur Fumio Agetsuma wusste genau, was die automobile Welt wollte. Nicht Prunk und Prestige, sondern „Brot und Butter“. Für diese beiden Basics sehe sich der Toyota Corolla in einer globalen Verantwortung, erklärte Agetsuma 1979 dem verblüfften Fachpublikum zur Vorstellung der vierten Generation des japanischen Volksautos. Sättigend wie trockenes Brot, aber mit Butter statt Margarine als köstlichem Belag, so sollte sich der Corolla nun endgültig als globaler König der Kompaktklasse inthronisieren. Eine Strategie, die aufging. Boten die frühen, nach einer japanischen Blütenkrone benannten Corolla ab 1966 vor allem zuverlässige Mobilität für den Massengeschmack, überholte Nippons Nummer eins im Jahr 1979 mit serienmäßiger Komplettausstattung erstmals den VW Golf als erfolgreichstes Auto der Welt. Auch die Position des meistproduzierten Allzeit-Bestsellers vor Golf und Käfer sicherte sich der bis heute in elf Generationen und rund 43 Millionen Einheiten gebaute Corolla. Möglich machte dies ein dichtes Netz aus Produktionsanlagen, das Toyota für den Corolla über alle Kontinente legte. In Europa ersetzt ihn zwar seit 2007 das Parallelmodell Auris, dessen lateinischer Name von goldenem Glanz künden soll. Ganz ohne Corolla klappt es aber auch hier nicht, weshalb der Klassiker als Stufenhecklimousine weiter im Angebot bleibt.

Sie waren selbstbewusste Kampfansagen, wie sie die Kompaktklasse noch nicht erlebt hatte. Die ersten Toyota Corolla wurden vor 50 Jahren konzipiert als überlegene Kontrahenten zum gleichfalls neuen Nissan Sunny, aber auch zum Volkswagen Käfer, den sie mit seinen eigenen Waffen schlagen sollten. Dazu gehörte die Errichtung riesiger Werksanlagen, der Takaoka Auto Works in Toyota-City, die es in der Kapazität sogar mit den gigantischen Fabriken in Detroit oder Wolfsburg aufnehmen konnten. Vor allem aber sollte der Corolla das erste Null-Fehler-Fahrzeug in der Geschichte des Automobilbaus sein. „Fehler werden nicht verziehen“, hatte die Konzernführung ihren Managern und allen Medien mitgeteilt, als die ersten Exemplare der 3,85 Meter langen, zunächst nur zweitürigen Limousine mit 43-kW-/58-PS-Motor vom Band liefen. Utopisches Wunschdenken, dachte die Fachwelt damals. Schließlich waren sogenannte Kinderkrankheiten unausgereifter Modelle selbstverständlich und auch andere Fahrzeugmängel wurden allgemein erst im Alltagseinsatz der Käufer abgestellt. Toyota aber wollte mit dem Corolla beweisen, dass der aufstrebende Autohersteller den Deming Award für Verdienste um das Total-Quality-Management zu Recht erhalten hatte. Zumal Toyota mit dem Corolla im zweiten Anlauf auch die Amerikaner begeistern wollte, die sich wenige Jahre zuvor vom ersten, noch frugalen und klapprigen Corona sehr irritiert gezeigt hatten.

Mission erfüllt, konstatierten die Corolla-Konstrukteure zufrieden, als der im italienisch inspirierten Stil gezeichnete Kompakte in den Zulassungscharts abhob wie die Apollo-Raketen, die damals Richtung Mond flogen. Mit fast perfekter Verarbeitung, günstigen Komplettpreisen und einem großen Karosserieportfolio wurden schon von der ersten Corolla-Generation in vier Jahren 900.000 Einheiten verkauft. Danach gab es kein Halten mehr: Gut fünf Jahre später nahm der Corolla die Fünf-Millionen-Marke, heute sind es sogar über 1,3 Millionen Fahrzeuge pro Jahr. Seit der zweiten Generation gibt es den japanischen Volkswagen auch in Deutschland. Zu einem durch und durch europäischen Fahrzeug wurde der Corolla jedoch erst 2002, denn seitdem werden die für Europa vorgesehenen kompakten Toyota auch hier entwickelt und gebaut.

Was allerdings nicht verhinderte, dass Corolla und Auris zu unauffälligen Biedermännern verblassten, die nur noch durch untadelige Zuverlässigkeit faszinierten. Als dann 2009 Rückrufaktionen das Qualitätsimage ankratzten, konnte nicht einmal mehr der Auris Hybrid als erster Kompakter mit der Kraft von zwei Herzen zurück auf die Überholspur finden. Richten sollen es deshalb nach dem Willen von Konzernchef und Motorsport-Entusiast Akio Toyoda emotionalere Modelle – so wie einst, als die schnellsten Samurai das Toyota-Logo trugen.

Tatsächlich gab es schon von der ersten Corolla-Generation ein flottes Coupé namens Sprinter, und der allererste nach Deutschland exportierte Toyota war 1971 ebenfalls ein sportiv angehauchtes Corolla Coupé. Zwei Jahre später rollten über Deutschlands Straßen schon mehr als 100.000 Toyotas, die meisten davon Corolla. Zum gefürchteten Kämpfer entwickelte sich der Kompakte derweil auf den Rallyepisten, wo er 1973 seinen ersten WRC-Triumph erstritt. Sportliche Lorbeeren, die Toyota zur Erweiterung des Corolla-Programms animierten. So startete die dritte Generation des japanischen Weltautos unter dem Namen Liftback als schneller Shootingbrake, während das Sportcoupé Levin, pilotiert vom fliegenden Finnen Hannu Mikkola, 1975 den ersten europäischen Rallyetitel für ein japanisches Team holte. Nicht zu vergessen der Corolla AE86 – auf japanisch Hachi-Roku genannt.

Er war der Driftmeister unter den vielen Sportversionen der fünften Corolla-Generation. Mit dem Coupé Levin AE86 kreierte Toyota 1983 ein bezahlbares Kultmodell, das seine überragenden sportlichen Talente vor allem seiner Ausgewogenheit verdankte. Die Kombination von Frontmotor mit Hinterradantrieb – der eigens als Alternative zum Frontantrieb in den zivileren Corolla entwickelt wurde – kompakte Abmessungen, geringes Gewicht und eine fast perfekte Achslastverteilung machten den Hachi-Roku zur ersten Wahl bei Rallyes, Rundstrecken und Drift-Trophies. Auch im Straßenalltag fuhr der fast 200 km/h schnelle erste japanische Großserien-Vierventiler ganz vorn mit.

Zum echten Boliden und größten Brüller auf den Rallyepisten des WRC-Championats wurde der Corolla 1997 in seiner siebten Generation. Unter dem Kleid des ersten speziell für den europäischen Kundengeschmack geschneiderten Corolla kam in der WRC-Version die Antriebstechnik des Celica zum Einsatz. Eine unschlagbare Kombination, die Toyota 1999 die dritte Marken-Weltmeisterschaft sicherte. Aber auch mit zivileren Versionen konnte der Corolla immer wieder Emotionen wecken. Sei es als Corolla Compact Cabriolet, präsentiert 1986 vom deutschen Karossier Voll. Oder als Allradkombi Corolla Tercel, der 1988 als Vorreiter aller späteren Crossover-Kombis für Furore sorgte. Schließlich als Corolla TS Compressor, der 2005 mit 165 kW/225 PS der gesamten GTI-Fraktion zeigte, wo der Hammer hängt.

Auf gänzlich andere Art bewirkte 2007 der Auris in Deutschland Aufsehen. „Augen auf – Auris“ signalisierten über 200.000 Großplakate, denen niemand entgehen konnte. Genützt hat es dem im französischen Toyota-Designzentrum entworfenen Corolla-Nachfolger wenig. An die großen Erfolge seiner Vorgänger kann dieser europäisierte Corolla vor allem in Deutschland nicht anknüpfen. Was nichts daran ändert, dass Auris und Corolla global betrachtet weiterhin die unschlagbaren Superstars in den Verkaufscharts sind.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Toyota/SP-X

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