Auf dem Cover steht Roman – es könnte aber auch Geschichtsbuch dort stehen. Denn die Spezies Fräulein Gabriele kennen allenfalls noch die vor 1970 Geborenen – jüngere Jahrgänge allenfalls dann, wenn sie Antiquitätenfans sind.
Es gab mal eine Zeit, da hießen Sie Gabriele, Monika und so weiter. Sie hatten Tasten, und manche waren so beschaffen, dass sie ein nicht ganz gleichmäßiges Schriftbild ergaben. Man spannte ein Blatt Papier ein, schrieb es voll, zog es unter Entriegelung der Halterung heraus, spannte ein neues ein, und so ging das weiter. Schlich sich, schlimmstenfalls in der letzten Zeile ein Tippfehler ein, konnte man entweder hoffen, dass das niemand merkt – oder, laut bzw. leise fluchend, Zurück auf Los spielen. Mit der Einführung der Korrekturflüssigkeit oder Korrekturplättchen, um zur Vermeidung von Schleichwerbung keine Marken zu nennen, wurde wenigstens das einfacher.
So, genug historisiert. Die Rede ist von der mechanischen Schreibmaschine, die jahrzehntelang den Büro-Alltag prägte, wie es heute PC und Drucker tun. Auch bei Richard Westermann, beruflich IT-Vorstand und privat ein wenig schrullig. Er verguckt sich regelrecht in ein Exemplar jener prähistorisch anmutenden Schreibgeräte. So sehr, dass er es im Büro einsetzt und die Kollegen PC und Drucker in Rente schickt. Oder wenigstens in einen längeren Urlaub. Er verbucht das für sich unter Entschleunigung, zumal er die neue Kollegin Gabriele mit den mechanischen Tasten bestmöglich gewappnet fühlt gegen die befürchteten Hacker. Für alle anderen Beteiligten im Unternehmen fällt's hingegen unter Chaos pur.
Katharina Münk ist ein amüsanter Roman gelungen. Aber auch einer zum Nachdenken – zeigt sie doch, wie dicht im Büroalltag mit PC und Internet Fluch und Segen beieinander liegen. Und wer auf Gabriele und ihre Artgenossen neugierig geworden ist – es gibt sie wieder! Nicht nur gebraucht. Neue Exemplare haben z. B. auch eine Taste für Euro und den Internet-Klammeraffen, sind aber nicht so ganz billig.
Katharina Münk: Westermann & Fräulein Gabriele. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 14,90 Euro.