Buchtipp – Ich kam, sah und intubierte

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Die Patientin schlief, und das war auch richtig so. Sie hatte ein gängiges Schlafmittel verordnet bekommen und weisungsgemäß eingenommen. Nur wusste das Umfeld nichts von der Therapie, mutmaßte Schlimmstes und alarmierte den Notarzt. Der schnell erkannte, was Sache war.

Längst nicht immer gehen die Einsätze von Falk Stirkat so harmlos aus. Sein Buch über seinen Alltag als Notarzt ist, dem lakonischen Titel zum Trotz, ein Zeugnis der Empathie für seine Patienten und eines klaren beruflichen Selbstverständnisses: Helfen – und dabei wissen, dass das nicht immer möglich ist. Die Schilderung eines vergeblichen Einsatzes bei zwei Menschen in einem brennenden Auto etwa geht beim Lesen schon sehr an die Substanz. Das ist übrigens völlig frei von Sensationshascherei, kommt zwar selten vor, aber kommt eben vor. Man entwickelt beim Lesen schnell eine Vorstellung davon, was ein Notarzt zu leisten hat. Das betrifft nicht nur die Diagnosestellung, sondern oft auch schweren körperlichen Einsatz, etwa an einem Unfallort bei 30 Grad aufwärts.

Es sind immer Extremsituationen, die er erlebt, und sie zeigen das Gesundheitssystem in Deutschland zugespitzt und deshalb sehr klar. Falk Stirkat findet lobende Worte(immerhin kann man hier rund um die Uhr medizinische Hilfe bekommen). Im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten hat er die Grenzen des Gesundheitssystems gespürt – zum Vergleich. Er benennt aber auch die Schwachstellen hierzulande, vor allem diese: Die Menschen in Deutschland leben länger, werden älter als noch vor Jahrzehnten, aber das System ist darauf nicht vorbereitet. Er erlebt auch bei Einsätzen, dass Notfälle bei Kindern aus purer Vernachlässigung entstehen – wenn die Eltern mit der Erziehung schlicht überfordert sind. Kompliziertdeutsch nennt man das bildungsferne Schichten, Falk Stirkat formuliert es klarer.

Bei allem Ernst, der dieses Buch unbedingt lesenswert macht: Falk Stirkat, mit 31 Jahren noch ein junger Mann, verschweigt die skurrilen Situationen nicht, in die er bei Einsätzen mitunter gerät. Das betrifft nicht selten Beschäftigungen, die man seinem gewohnten Umfeld lieber verschweigt und nicht bei Tageslicht ausübt. Nutzt aber alles nichts – dem Notarzt muss man sich offenbaren und zeigen, will man aus einer vermeintlich vielversprechenden Situation halbwegs gesund (um nicht zu sagen lebend) wieder raus.

Wer dieses Buch liest, wird ganz sicher den nächsten Arztbesuch bewusster wahrnehmen. Erst recht das Hinzuziehen des Notarztes, wenn es einmal nötig wird.

Falk Stirkat: Ich kam, sah und intubierte. Wahnwitziges und Nachdenkliches aus dem Leben eines Notarztes.
Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag; 9,99 Euro.

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