Dies kleine Büchlein wird polarisieren, kein Zweifel. Denn Autor Lennart Brand entwirft eine Sammlung von Verhaltensregeln, die beim Lesen ständig an Oscar Wilde erinnern. Wir begeben uns auf die Spuren der Lebensform Dandy.
Ein solcher, so Lennart Brand, trägt zum Beispiel seinen Anzug imperfekt, das heißt, mit gezielten Abweichungen von der Makellosigkeit. Der Anzug darf ein gewisses Alter haben, das man ihm auch ansieht, Risse und andere Kleinigkeiten prädestinieren das gute Stück keineswegs für die Altkleidersammlung. Gute Schuhe sind nach Brand ein absolutes Muss, weswegen die auch gerne gebraucht im Internet erworben werden dürfen, wenn sie als Neuware zu teuer sind. Das mag nach Dandy-Art politisch korrekt sein, ob es das orthopädisch auch ist, darf bezweifelt werden.
Vollends skurril wird die Angelegenheit, wenn Lennart Brand sich für den rauchenden Mann von Welt ausspricht. Zigarre, Pfeife, Zigarettenetui – alle feiern ihr Comeback, als habe es die deutschen Nichtrauchergesetze nicht gegeben. Er zieht sogar Thomas Manns Zauberberg heran. Naja, als dieser Roman entstand, wußte man noch nicht viel Sicheres über die Schädlichkeit des Rauchens…
Seien wir ehrlich: Einige hundert Seiten mit Äußerlichkeiten würden wir hier sicher nicht empfehlen. Aber der Dandy, wie Lennart Brand ihn sich vorstellt, verbringt seinen Tag zum Glück nicht damit, einfach nur Bekleidung am Körper durch die Gegend zu tragen und sich ansonsten mit Existieren zu begnügen. Nein, der Autor hält auch ein engagiertes Plädoyer fürs Lesen, für die Beschäftigung mit Wissenschaften, also Beschäftigungen, mit denen sich durchaus der Lebensunterhalt verdienen lässt. Auch Sport kommt zur Sprache, und das wird den Orthopäden, der das gebraucht erworbene Schuhwerk sicher kritisch betrachtet, versöhnlich stimmen.
Was Lennart Brand hier zusammenträgt, ist eine anachronistische Sammlung von Regeln, die in der Summe einen eigenwilligen Lebensentwurf ergeben. Die Sprache wirkt bisweilen gestelzt, die Coverzeichnung erinnert an Abbildungen des Musikers Erik Satie, und all das passt zu einem Buch, das ganz sicher nicht den Zeitgeist spiegeln will. Insofern ist es auch unter den inzwischen zahlreichen 111-Regeln-Bücher des Verlags eine Ausnahmeerscheinung, zu deren Veröffentlichung sicher eine Portion Mut gehört. Denn ob man den Mann von Welt, wie er hier heißt, so nennt oder Dandy oder Schnösel – das liegt sicher in der Entscheidung der Leserschaft. Gut, dass es noch solche polarisierenden Werke gibt.
Lennart Brand: 111 Regeln für den Mann von Welt. Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag; 9,99 Euro.