Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wie viele Programme können Sie eigentlich auf ihrem Pantoffelkino zu Hause, also Ihrem Fernseher, empfangen? Oder, um es etwas provokanter zu formulieren: Sie haben bestimmt keine Ahnung, durch wie viele Möglichkeiten der flimmernden Information oder Unterhaltung Sie sich am Stück da durchzappen können, wenn Sie nur wollen. In allen erdenklichen Sprachen, die – auch dank Al Jazzeera und Co. – rund um den Globus gesprochen werden.

In der Regel belassen wir es ja dabei, die uns bekannten Sender mal kurz anzuklicken. Manchmal aber – und so erging es mir in der vergangenen Woche – da „ritt mich wohl der Teufel“ vor dem Fernseher und ich zappte und zappte aufs Geradewohl einfach drauflos. Nicht, um irgend etwas Bestimmtes zu finden, was mir im Sinn lag. Sondern einfach so aus einer Laune heraus. Zappen um des Zappen willens.

Bis ich dann plötzlich – untermalt von ein paar französischen Lauten – innehielt und fasziniert auf das Bild starrte, das sich da vor meinen Augen auf dem Bildschirm auftat: Göttinnen, nichts als Göttinnen, eine nach der anderen. Eine schöne als die andere. Göttinnen, nicht aus Fleisch und Blut und schon gar nicht aus irgendwelchen übersinnlichen himmlischen Sphären-Elementarteilchen. Nein, Göttinnen aus den Materialien, aus denen dieses wunderschöne Automobil gebaut worden war: „La Déesse“ – also ins Deutsche übersetzt „Die Göttin“ – unter diesem wahrlich passenden Begriff ging der legendäre Citroën DS in die lange Geschichte des Automolbaus ein. In diesen Tagen feierte ganz Frankreich den Geburtstag seiner (auto)mobilen Göttin: 60 Jahre Citroën DS.

Aus eben diesem Anlass flanierte ein ganzer, nicht enden wollender Autokorso von Citroën DS vergangene Woche über die Pariser Prachtstraße, die Champs Elysées und der französische Sender Antenne deux fing dieses wunderschöne Bild der 700 DS (so viele sollen es laut Kommentator gewesen sein) in ihrer Capitale live ein. Nie war das Bild einer mit Autos verstopften Straße schöner und prächtiger anzusehen als just in diesem Moment. Ein Stau der Superlative, in der man keine genervten Autofahrer/innen, keine Hupkonzerte, keine wilden Fuchteleien hinter dem Lenkrad sah. Sondern nur einfach glückliche Menschen, mit unbändigem Besitzerstolz in den Augen.

An den Straßenrändern standen die Menschen, applaudierten einer Ikone ihres sozialen Gemeinwesens, das weit mehr als nur ein Automobil war. Die DS steht in ihrer einmaligen Ausstrahlung für das ganz besondere Frankreich, für die Kunst des nonchalanten savoir vivre, wie man dieses Lebensgefühl eben nur noch bei unseren westlichen Nachbarn vorfindet. Ein ganzes Volk wiegt sich scheinbar im Takt der Hydropneumatik, das dieses unvergleichliche Automobil, den Nachfolger des Traction avant, auszeichnete.

Mitunter, so dachte ich beim Betrachten des einzigartigen Schauspiels, kann auch scheinbar sinnloses Zappen mit der Fernbedienung einen Sinn haben, der von höheren Instanzen vorgegeben wurde. Und das Wort Stau hatte für mich auf einmal eine vollkommen neue Bedeutung erhalten.

Aber wohl leider auch nur für diesen einen Moment. Es ist halt nicht jeder Tag für und von Göttinnen gemacht auf unseren Straßen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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