Ronald M. Schernikau muss ein echter Querkopf gewesen sein – aber ein freundlicher. Sein Gesellschaftsideal war der Sozialismus, allerdings ein fröhlicher, bunter mit einem Maximum an Freiheit für den Einzelnen. Vielleicht kann man sich diesen Sozialismus so bunt vorstellen wie die Prilblumen, die es damals mit jeder Flasche automatisch gab. Denn Ronald M. Schernikau ist in den Siebzigern jung gewesen, erwachsen geworden. Er war noch keine 20, als er mit Kleinstadtnovelle ein furioses Debüt als Schriftsteller hinlegte. Der große Erfolg ist ihm trotzdem verwehrt geblieben. Denn so konsequent Schernikau seine Überzeugung vertrat, so sperrig las sich, was er schrieb – auch seine Erfahrungen als Student am Literaturinstitut Johannes R. Becher.
Nicht zuletzt, weil er mit nur 31 Jahren starb, blieb Ronald M. Schernikau als öffentliche Person rätselhaft. Dieses Rätsel hat Matthias Frings entschlüsselt, so weit wie möglich jedenfalls. Frings war eng mit Schernikau befreundet, sein Buch ist bereits vor einigen Jahren erschienen, erfreulicherweise immer noch erhältlich – keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen die Kurzlebigkeit von Medien oftmals auch vor den Büchern nicht Halt macht. Schon gar nicht vor Büchern, die sich nicht allzu leicht konsumieren lassen.
Denn Matthias Frings verbindet einen lockeren, durchaus eher journalistischen denn kunstvoll literarischen Stil mit einem schwierigen Thema. Das macht den Zugang zu Ronald M. Schernikau leicht, ohne dass der Mensch einfach zu verstehen wäre. Einerseits ein unbefangener, freundlicher junger Mann, der die Buntheit der Stadt Berlin in den Siebzigern und Achtzigern genießt, gerne ausgeht, einen Freundeskreis pflegt, andererseits einer, der seiner Altersklasse und sicher auch seiner Zeit weit voraus war, zielstrebig den Weg zum Literaturinstitut in Leipzig suchte, um dort, und nur dort zu studieren. Und der seinen blumigen Sozialismus noch in den Anfängen sah und quasi als letzter Kommunist daran festhielt, als die Zeichen schon ganz anders standen.
Matthias Frings ist nicht der distanzierte Beobachter – mehr beschreibt er die gemeinsame Zeit, die er aus der Nähe erlebt hat. Was in Distanzlosigkeit enden könnte, wirkt hier nur angenehm. Berlin in den Siebzigern und Achtzigern – da konnte schon mal Marianne Rosenberg bei einem jungen Autor anfragen, ob denn ein Liedtext für sie drin sei. So profane Angelegenheiten wie eine Wohnungssuche erwiesen sich als problemlos, so man denn die Ansprüche nicht übermäßig hoch schraubte. Und unversehens begegnete man dem ein oder anderen Prominenten, der oder die sich aus der Nähe nicht ganz so angenehm gab wie aus der TV-Distanz. Das ist nicht neu, gehört aber zu den besonders amüsanten Teilen dieses Buchs.
Matthias Frings: Der letzte Kommunist. Das traumhafte Leben des Ronald M. Schernikau. Aufbau Taschenbuch Verlag; 8,99 Euro.