Australien liegt zwar von uns aus gesehen am anderen Ende der Welt, aber dass die hier stellenweise technisch noch so rückständig sind, hat Heidi nicht erwartet. Sie ist „im Tal der Ahnungslosen“, da, wo es kaum Internet gibt und sie nicht mehr tägliche Lageberichte und Fotos abschicken kann…
Überhaupt war sie mit gemischten Gefühlen an Bord gegangen. Singapore war so toll, da wäre sie am liebsten geblieben.
Einen Tag vorher war sie noch im Singapore-TV zu Gast mit einer ausführlichen Reportage über ihre Reise.
Und nun das: Am 1. Februar begann ein völlig neues Kapitel in ihrem Leben: Neun Tage lagen vor ihr; sie wird gefahren statt selbst zu fahren. Heidi hatte ein richtig mulmiges Gefühl wegen Fortbewegung auf die ihr unbekannte und noch unangenehme Weise.
Das Containerschiff WARATHA verließ Johor, den Hafen von Singapore – mit 500 Containern und 24 Personen Besatzung: Der Kapitän, 22 Crew-Mitglieder und Heidi. Und da sie sehr gute Verbindungen zur Reederei Hamburg-Süd hat, stand ihr die Owner’s Suite zur Verfügung. Ganz schön komfortabel, mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad.
Hudo stand während der Überfahrt in Reihe 33 in einem flammneuen, knallroten Container, den Heidi wann immer es möglich war beobachten konnte.
Auf See war schon nichts mehr mit Wi-Fi: Da lief gar nichts, schon mal gar nicht ohne den Kapitän. Der aber hatte alle Hände voll zu tun, und Heidi mochte ihn dann doch nicht auf so eine „Lappalie“ ansprechen.
Es war für Heidi ziemlich langweilig auf dem Containerschiff. Als sie Singapore mit der herrlichen Skyline hinter sich gelassen hatten, sah sie nichts mehr außer Wasser, Wasser, Wasser. Kein Schiff, kein Land, nichts. Und sie konnte nichts tun. Das Frühstück machte sie sich selbst, aber noch nicht einmal abwaschen durfte sie. Meist ging sie zum Essen in die Offiziersmesse, aber manchmal auch zu der Crew, die in einer anderen Kajüte ihre Mahlzeiten einnahm.
Der Kapitän hatte ihr gestattet, wann immer sie wollte, zu ihm auf die Brücke zu kommen. Die vielen Armaturen und Knöpfe haben sie sehr beeindruckt, Heidi „durfte“ zwar auch mal das Steuer in die Hand nehmen, aber wirklich tun konnte sie nichts.
Die Reise kam ihr enorm lang vor.
„Selbst mit meinem inzwischen 87 Jahre alten Hudson Great Eight bin ich ja schneller.“
Da hat der Käpt’n ihr aber mal was vorgerechnet: Da das Schiff Tag und Nacht unterwegs ist, ist es schneller als jedes Auto. Es braucht für die 5.073 Kilometer zwischen Singapore und Perth nur neun Tage.“
„Ups“, da war Heidi aber ganz still.
Aber langweilig war ihr trotzdem auf dieser Fahrt, alles hat sie sich ganz genau angeschaut, aber im Maschinenraum war es ihr doch dann zu heiß und zu laut. Und dann sprang sie in den Schiff-eigenen Pool.
Am 10. Februar hatten sie endlich in Freemantl, dem Hafen von Perth, wieder festen Boden unter den Füßen. Nur soll jetzt niemand glauben, dass Heidi und Hudo gleich losfahren konnten. Nein, weit gefehlt. Die Australier an sich sind unheimlich freundlich, hilfsbereit und liebenswert. Leider sind die australischen Gesetze etwas – sagen wir – umfangreich: Es fehlte eine Unterschrift auf den Ausschiffungspapieren von Singapore.
Außerdem musste Hudo zwei Tage in Quarantäne, bevor der rote Container geöffnet wurde. Heidi hat sich einmal mehr den Mund fusselig geredet, bevor die strengen Zöllner endlich ihr okay gaben, dass Heidi auch ohne diese zweite Unterschrift fahren durfte.
Als erstes musste Hudo gründlich untersucht werden. Hier bekam sie schon wieder Probleme: Wegen drei (!!!) Tropfen Öl unter dem Auto. Mit guten Ratschlägen bezüglich der Entfernung von zehn Zentimetern Schlauch, der ein ganz klein bisschen porös geworden war, konnten sie endlich am 14. Februar losfahren.
Kameramann Lars vom NDR war noch bei ihr, hatte die Überfahrt gefilmt und musste wegen der fehlenden Unterschrift auch eine Zwangspause einlegen. Er hat Heidi noch ein Stück Richtung Süden begleitet. Sie mussten Nebenstraßen fahren, denn die Hauptstraße war gesperrt: Buschbrände hatten den Asphalt unfahrbar gemacht.
Hudo hatte ja relativ lange durchgehalten. Aber dann, auf einer Schotterstraße in Richtung Denmark, verlor er den Auspuff. Und so zuckelten sie unter lautem Geknatter wieder zurück nach Perth. Lars musste seinen Flieger noch erreichen.Das mit dem Auspuff war ja nicht sooo schlimm. Damit konnte sie ja noch ein wenig weiterfahren, aber jetzt gab es einen Knall – und Hudo bekam kein Benzin mehr. Es war genug im Tank, aber es wurde nicht in den Motor transportiert. Also ein elektrisches Problem. Heidi suchte und suchte, aber sie konnte den Fehler nicht finden. Schließlich hatte sie rausgefunden, dass, wenn sie Benzin direkt einfüllt, dann läuft das Auto etwa sechs Kilometer.
Und so gestaltete sich dann die Weiterfahrt etwas mühselig: Alle sechs Kilometer anhalten, Benzin „direkt einspritzen“ und ab ging’s. Und so weiter. Jedes Mal nach sechs Kilometern. In ihrem Blog www.heidi-um-die-welt.de haben ihr nicht wenige geraten, ein modernes Auto zu nehmen für diese strapaziöse Weltreise. Nun, Heidi wäre nicht Heidi, wenn sie ihren Oldtimer nicht auch als Kommunikationsmittel benutzen würde. Hätte sie jemals so viele nette Menschen kennengelernt, wenn sie mit einem „stinknormalen“ modernen Auto unterwegs gewesen wäre? Klare Antwort: Nein.
So auch hier wieder: Sie lernte Brendan kennen, der wiederum in Albany einen Elektriker kannte – es war Carsten, ein Deutscher – der diese defekte Sicherung gefunden und ausgetauscht hatte.
Sodann kam sie ohne weitere technische Probleme nach Esperance und hier gab es – hört, hört: einen Veteranenclub. Die Clubmitglieder waren allesamt ausgesuchte Spezialisten in Sachen Oldtimer. Diesen Herren vertraute Heidi die Holzspeichen an, die in Singapore nicht ganz so fachmännisch repariert wurden und auf der Reise durch Australien schon wieder mächtig Geräusche machten.
Mit Unterlagscheiben zwischen Holzspeichen und Metallrand lief Hudo nun wieder auf vier gesunden Füßen – ähem Rädern. Und die Reise konnte weiter gehen.
Esperance war übrigens der letzte Ort, in dem es Wi-Fi gab. Denn ab hier führte sie der Weg durch die Nullarbor-Wüste. Die Menschen reden sehr ehrfürchtig von dieser Wüste, die „Null arbor“ heißt, zu Deutsch: keine Bäume. Naja, so ganz ohne Bäume ist die Straße dann doch nicht, aber die Flora ist sehr spärlich. Und eine Tankstelle gibt es nur alle 200 Kilometer. Ratschläge gibt es genug für Heidi: Bloß genug Wasser und zu Essen mitnehmen, denn Raststätten gibt es keine. Immerhin zieht sich diese Wüstenstraße bis unendlich.
Aber das ist nicht die längste Straße, denn die aller-allerlängste schnurgerade Straße durch Australien ist 146,6 Kilometer lang. Unvorstellbar. Oder vielleicht doch? Denn genau hier kam AC/DC die Idee zu ihrem Song „Highway to Hell.“
Text: Jutta Sein
Fotos: Heidi Hetzer