Manchmal führt die Verfilmung dazu, dass man die literarische Vorlage entdeckt. Glückskind ist so ein Fall, als Film mit einem grandiosen Herbert Knaup jüngst gesendet.
Man muss den Film nicht gesehen zu haben, um Steven Uhlys Buch zu mögen – wenn man dem durchaus heiklen Thema generell etwas abgewinnen kann. Wer aber Film und Buch vergleicht, wird feststellen, dass vor allem die Hauptfigur beim Lesen eine ganz andere Eindringlichkeit entwickelt als beim Zuschauen. Was keine Wertung ist. Uhly erzählt die Geschichte als Beobachter, schaut ins Innenleben seiner Figuren wie aufs Umfeld, aber er kommt völlig ohne Kitsch aus.
Dabei hätte das Thema geradewegs eine Einladung zum Kitsch sein können: Ein schon älterer Mann, dem sein Leben völlig entglitten ist, findet vor seinem Wohnhaus einen ausgesetzten Säugling. Im Müll. Dass er überhaupt vor die Tür gegangen ist, gehört schon nicht zu den Selbstverständlichkeiten. Der Mann lebt genau genommen nicht mehr, er existiert nur noch.
Und wenn er nun, durch die Verantwortung für den Säugling, wieder zurück ins Leben führt, so bewahrt er sich doch seine Sperrigkeit. Er muss für jemanden sorgen, was ihn zwingend aus der Isolation führt, in die er teils freiwillig gegangen, teils geglitten ist. Das kostet Überwindung, das ist zu merken, und da ist nichts zu beschönigen. Gerade deshalb nötigt der Weg beim Lesen (und Zuschauen) Respekt ab. Und dass nicht alles eitel Sonnenschein ist, nur weil aus Resignation ein Entschluss wurde, macht die Lektüre angenehm, auch wenn die Vorweihnachtszeit in der Regel die Zeit der Stoffe à la Der kleine Lord ist.
Steven Uhly: Glückskind. Bertelsmann Taschenbuch Verlag (btb); 9,99 Euro.