Des Deutschen Lieblingsspielzeug bleibt, übrigens noch vor der Wohnzimmer- Eisenbahn und dem Akku-Schrauber, das Automobil. Umso verwunderlicher eigentlich, dass der Bundesrepublikaner, der angeblich soviel Wert auf Sicherheit und Komfort legt, ausgerechnet beim Thema Winterreifen sich ziemlich beratungsresistent zeigt. Zwar schrauben die meisten Autofahrer ihre Winterpneus irgendwann zwischen Oktober und Dezember auf ihr Fahrzeug, aber eher wegen der gesetzlichen Drohgebärden mit Bußgeld und Punkten, denn aus wirklicher Überlegung oder gar Überzeugung. Der klassische Spruch zum Thema Winterpneu Von O bis O, also von Oktober bis Ostern, hat zwar etwas von seiner Überzeugungskraft verloren ob der letzten milden Winter, aber der Reifen für die kalte und nasse Jahreszeit hat doch dann Saison.
Hintergrund: Der Sommerreifen verliert ab etwa 5 Grad Fahrbahntemperatur dramatisch an Grip, also Verzahnungseffekt zur Straße, auch bei trockenem Belag. Dann startet der echte Winterpneu seine argumentative Aufholjagd, die mit großen Sicherheitsreserven gekoppelt ist: Die spezielle Kautschukmischung, weicher und damit anschmiegsamer an die Straße, die sichtbar gröberen Profilgestaltungen und die feinen Lamelleneinschnitte, die der Nässe und Glätte Paroli bieten. Zwar schreibt der Gesetzgeber eine Mindestprofiltiefe von 1,6 Millimetern vor, aber bei spätestens 4 mm ist auch beim Winterreifen Ende der Freundschaft. Nicht unterschätzen: Der rechtzeitig gewechselte Sommerreifen sollte mit um 0,5 bar erhöhtem Druck eingelagert, zudem mit seinen ursprünglichen Positionen markiert werden. Beispiel: VR für vorne rechts, HL für hinten links. Auch die Einlagerung für die nächsten 5-6 Monate stellt einen gewissen Anspruch: dunkel, trocken, kühl und flach liegend.
Nur echte Winterreifen sollten im Herbst ihren Dienst antreten: Es sind die mit einem Eiskristall- oder Schneeflocken-Symbol an der Reifen-Außenflanke. Wer beizeiten wechselt, erspart sich tage- und wochenlanges Warten beim Reifenhändler oder in der Fachwerkstatt. Und nur der hat die Erfahrung, Maschinen, das Material und Anlagen, um gegebenenfalls Räder neu zu wuchten. Wer unbedingt die Pneus selbst wechseln will, dabei Muskelkater und Kreuzschmerzen heldenhaft in Kauf nimmt, muss auf die richtige Platzierung der Räder in den dazu gehörenden Radhäusern achten und die Radmuttern oder Radschrauben nach etwa 50 Kilometern nachziehen. Wenn möglich mit einem Drehmoment-Schlüssel. Straßen können im Winter schnell zu Rodel- oder Bobbahnen mutieren, stets natürlich völlig überraschend für den Autofahrer. Ungewollte Ausflüge in die Botanik sind dabei noch die harmloseren Konsequenzen.
Text und Bilder: Frank Nüssel /CineMotQuelle: Promotor