Mensch und Technik, oder Technik? So könnte man das vierte Symposium des DIQ (Deutsches Institut für Qualitätsförderung e. V.) in Wuppertal überschreiben. Die KÜS ist Mitglied im DIQ. Die Referenten waren nicht nur aus dem Bereich Technik, wie ansonsten bei diesem Thema. Bei der Auswahl der Gastredner hat das DIQ eine außergewöhnlich gute Wahl getroffen.
Der überwiegende Teil war der Thematik nicht sofort zuzuordnen. Umso erstaunter waren die Zuhörer nach den Vorträgen in welch eindeutigem Kontext die sehr weit vom Denkmuster des Themas, Autonomes Fahren, abweichend erscheinenden Headlines sich darstellten. Bisher erschien in Artikeln über das Thema das Hauptaugenmerk auf die Technik gelenkt zu sein. Sie soll den Menschen als Fahrer eines Kraftfahrzeuges zu ersetzen versuchen. Von Menschen programmierte und entwickelte Technik kann nicht intuitiv und aus einem gesammelten Erfahrungsschatz heraus technische Entscheidungen und Alternativen zur Auswahl stellen. Dies bekräftige Flugkapitän Thomas Mildenberger, Vizepräsident Vereinigung Cockpit e. V., in seinem Vortrag. Anhand des Piloten vom Hudson-River am Ende seiner Ausführungen war spätestens jetzt jedem Zuhörer klar, dass es einen Unterschied zwischen automatisiertem Fliegen oder Fahren und dem autonomen Prozess gibt und geben muss. Im daran anschließenden Referat stelle Prof. Dr. med. Frank Schmäl vom Zentrum für HNO in Münster/Greven die Hypothese auf: Wenn Bewegung krank macht. Anhand vieler Beispiele aus der See-, Luft-, Auto- und Raumfahrt war die Reisekrankheit/Schwindel/Übelkeit (Kinetose) der Schlüssel- und Angelpunkt seiner Rede. Wie reagiert die/der vom Verkehrsgeschehen abgelenkte Fahrer/in. Die aktuellen Trends im Fernreisebusbereich, Pkw-Design mit verkleinerten Fensterflächen, größeres Angebot von Infotainment, in gepanzerten Fahrzeugen geringere Sicht nach außen, fordern vom modernen Homo Sapiens, dem evolutionären Menschen, eine immer größere Anpassung an die Bewegungsabläufe in Fahrzeugen. Während der Fahrt mit Lesen, Telefonieren und ähnlichen Beschäftigungen abgelenkte Fahrer benötigen für die Wahrnehmung der Situation eine sehr große Zeitspanne. Diese Zeit steht in den überwiegenden Unfallabläufen nicht mehr zur Verfügung. Dipl. Ing. Dominique Bohrmann, Institut für Fahrzeugtechnik, Hochschule Trier, griff diese Überlegungen in seinem Vortrag in Bezug auf die Technik sehr anschaulich auf. Er stellte Lösungen vor, die in den Fahrzeugen zur Verminderung der Übelkeit, hervorgerufen durch die gleichgewichtsstörenden Bewegungsabläufe, eine positive Wirkung auf die Insassen ausüben. Dazu zählen unter anderem die Sitzposition, Schwingungen des Fahrwerks eliminieren, Neigetechnik im Schienenverkehr, Displays und Innenraumbeleuchtung, Belüftung und Klimatisierung. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Philipp Themann vom Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen erläuterte die Unterscheidungsmerkmale von Fahrerassistenzsystemen: Teil-, hoch- bzw. vollautomatisierten Fahrsystemen bis hin zum fahrerlosen Fahrzeugkonzept. Sein Resümee zeigte auf, dass es schon viele Möglichkeiten der Assistenzsystemen gibt. Ein Beispiel: Das fahrerlose Einparken in einem vorher definierten Parkhaus. Gleichzeitig zeigten seine Beispiele auch, dass noch viel geforscht werden muss. Die Technik muss besser werden als der Mensch. Das bedeutet gleichzeitig, dass eine lernende Intelligenz erschaffen werden muss. Im Anschluss kam Dipl. Psych. Tobias Ruttke, Friedrich-Schiller-Universität Jena, an das Rednerpult. Er befasste sich mit der Berücksichtigung von Verhaltensaspekten für eine menschzentrierte Systementwicklung. Unter dem psychologischen Aspekt betrachtete er das „menschliche Funktionsprinzip“. Dabei kam heraus, dass mit zunehmender Technikakzeptanz das Vertrauen in systemgesteuerte Fahrentscheidungen die Menschen ihr Verhalten ändern. Sie fahren z.B. bei höherer Geschwindigkeit mit geringerem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, bei schlechter Sicht, z.B. Nebel, mit überhöhter Geschwindigkeit durch Radar- und Sensorunterstützer Assistenzsysteme. Nur eine Symbiose aus Mensch und Technik wird in Zukunft das Modell des automatisierten Fahrens ermöglichen. Der letzte Vortrag stellte noch einmal eine sehr kritische Betrachtung in den Vordergrund. Verfassungs-, Straßenverkehrs-, zivil- und strafrechtliche Grundsätze müssen der immer weiter fortschreitenden Entwicklung folgen und im eigentlichen Sinne auch eine Vorreiterrolle bieten. Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, von der Forschungsstelle RobotRecht der Universität Würzburg, brachte es mit seinen Beispielen auf den Punkt. Es sind zurzeit noch sehr viele ungelöste Fragestellungen in Bezug auf die Fahrerassistenzsysteme und die Vision des fahrerlosen Fahrens. Eine schwerwiegende Frage blieb auf jedem Fall im Raum stehen: Darf oder muss die Technik im Pkw über Leben und Tod entscheiden.
Zum Abschluss kam auch noch einmal Herr Prof. Dr. Peter König von der Hochschule Trier auf das Podium um dieses Symposium zu beschließen. Er führte in seiner kompetenten Art den ganzen Tag die unterschiedlichen Redner in ihre Vorträge ein und stellte sie der Zuhörerschaft vor. Sein Resümee: Es gibt viele Erwartungshaltungen an das autonome Fahren als zentrales Element der zukünftigen Mobilität. Dabei gilt es die „Menschlichen Aspekte“ bei der Entwicklung der Technik nicht außer Acht zu lassen. Wie auch in der Begrüßung von Peter Schuler, Präsident des DIQ, zum Ausdruck kam, immer unter dem Aspekt der kritischen Betrachtung und der Abwägung des Fortschritts.
Text: Detlef Krehl
Fotos: Frank Eppler