Liebe Leserin!Lieber Leser!

Drei Tage vor dem Heiligen Abend, werden Sie denken, sollte sich diese Kolumne auch in irgendeiner Form mit dem herannahenden Weihnachtsfest beschäftigen. Tut sie auch, wenngleich in einer etwas anderen Form, als Sie es vielleicht erwarten. Es geht also heute nicht um den korrekten Transport des Weihnachtsbaumes oder um Geschenke, die sich um Auto, Motorrad oder eine andere Form von Mobilität drehen. Worum aber geht es?

Der österreichische Fernsehsender Servus-TV tut sich immer wieder durch unkonventionelle Ansätze des Herangehens an bestimmte Beiträge hervor. Da ich im Moment im „Schneeloch“ Obertauern beim Skilanglauf entspanne, bin ich in dieser Woche abends beim „rum zappen“ auch auf Servus-TV hängen geblieben. Alsbald hatte mich eine Reportage über einen jungen Familienvater aus Vietnam gefesselt, der aus einem kleinen Dorf am 17. Breitengrad, der ehemaligen Demarkationslinie zwischen Süden und Norden des geschundenen Landes, stammte. Er unterhielt seine Familie weit weg von zu Hause als Fahrer eines kleinen motorisierten Zweirades in Hue, der ehemaligen chinesischen Kaiserstadt, die mittlerweile (leider) auch zum übervölkerten Touristenzentrum geworden ist.Die Reportage zeigte in grotesker Weise, aber mit in die Tiefe gehenden Bildern, die Verbundenheit des Mannes – seinen Namen weiß ich nicht mehr – und seines schon reichlich in die Jahre gekommenen, mittlerweile recht klapprigen Zweirades. Wohl und Wehe seiner Familie, die weit entfernt in besagtem kleinem Dorf wohnte, hing vom funktionsfähigen Zustand dieses knatternden Zweitakters ab. Die Bilder legten nüchtern professionell und unkommentiert dar, wie der Mann sich Tag für Tag im mörderischen Moloch des Straßenverkehrs einer vietnamesischen Metropole zwischen Bussen, Lkw, Taxis, Fahrrädern und Tausenden anderer motorisierter Zweiräder im Überlebenskampf übt. Im Kampf um die eigene körperliche Unversehrtheit und die Funktionsfähigkeit seines Krads, dessen Zustand jeden KÜS-Prüfingenieur in Angst und Schrecken versetzt hätte.Zu sehen war aber auch, mit wieviel Hingabe er dieses Zweiradmobil in den kärglichen Stunden, die ihm als „Freizeit“ bleiben, pflegte und reparierte. Wie er mitunter mit List und Tücke Ersatzteile organisierte, und wie er nachts ein paar Stunden in einer halbwegs geschützten Ecke schlief. Verbunden mit seinem Krad mittels einer Kette, um es vor Dieben zu schützen.
Der Film endete damit, dass er den Fahrer – einen gläubigen Christen – auf seiner fast dreitägigen Heimreise mit dem Zweirad in sein Dorf begleitete. Zur Feier des Weihnachtsfestes. Und wieder wurde daraus kein Rührstück mit Taschentuch-Alarm , sondern die pragmatische, ungeschminkte Erzählweise bei behalten. Das, was man bei uns leichtfertig als Weihnachtsgeschenk bezeichnet, war in diesem Falle die Familien-Zusammenführung, das nach Hause gebrachte Geld und damit die Gewissheit, dass der Lebensunterhalt wieder für ein paar Monate gesichert war.

Wohl ein heiliger „Heiliger Abend“ in des Wortes tiefster Bedeutung und eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Wert und die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsfestes. Schluss-Sequenz war eine fröhliche, lärmende Familie und ein Kamera-Schwenk auf das Zweirad, die „Lebensversicherung“ der Familie. Es stand im Raum, nicht draußen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende und ein besinnliches Weihnachtsfest.

Ihr Jürgen C. Braun

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