Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Zu Beginn dieser Woche ergab es sich, dass ich mit einem Fahrzeug eines in München beheimateten Automobilherstellers (davon gibt es ja nicht so viele) in die bayerische Landeshauptstadt anreiste. Aufgrund der Umstände musste ich denn mit dem Zug nach Hause fahren. Das war auch alles von langer Hand so geplant und kein Grund weder zur Besorgnis, noch zum Ärgernis. Also, keine Angst, ich stimme ganz gewiss nicht das alte Lästerlied auf die Unpünktlichkeit und Unvorhersehbarkeit der Dinge bei der der Deutschen Bahn an.
Was mir jedoch auffiel, als ich im Münchener Hauptbahnhof auf meinen Zug wartete: Man bekommt an derlei Kulminationspunkten menschlichen Treibens, wo nicht nur alles hastet und hetzt, sondern diese rastlose Unruhe auch noch mit möglichst rascher, hinunter schlingender Nahrungsaufnahme verbindet, nirgendwo noch das, was man mit einem hausgemachten, einfach, geschmierten Butterbrot bezeichnet.

Die Wahl hat der Reisende zwischen einer in schlabbernder, vor sich hin müffelnder, schon leicht vermatschter Tomaten-Mozzarella-Pampe in einer Weizen-Sesamtasche, deren Existenz sich unweigerlich in eine bröselnde Darstellungsform auföst. Der leicht vor sich schnuddelnde, klebrige Inhalt des angeblich „knusprig-vitaminreichen Reisehappens“ schickte sich an, unablässig und ungestraft ein künftiges Dasein zwischen Manschettenkragen und leichtem Herbstpullover vor zu ziehen. Zur weiteren Disposition stand etwa ein wild zusammen gewürfeltes Käse-Schinken-Salami-Gurken-Salat-Baguette, von dessen braungrünen, traurig herab hängenden Kopfsalat-Blättern es, untermalt von hässlich hernieder platschender Begleitmusik, über Jacke, Hose bis auf die Laptop-Tasche tropfte. „Preiswert“ übrigens die gezielte Verunreinigung des einst ansehnlichen Habitus: Um vier Euro gab‘s noch „ein Fünferl“ zurück.Ich erinnere mich, dass zu Kindertagen die Leute bei uns zu Hause mit dick belegten, kräftigen Butterbroten, deren Scheiben selbst vom oft noch halbwarmen Laib geschnitten worden waren, in einer Blechdose und dazu einer Thermoskanne voll dampfenden Tees oder Kaffees auf die Schicht gingen. Die meisten von ihnen arbeiteten in größeren Fabriken, die heutzutage ebenso vom Aussterben bedroht sind, wie die Blechbüchse und das Butterbrot. Woher ich das weiß? Auf der Zugfahrt nach Hause entnahm ich der „Süddeutschen Zeitung“, dass Siemens weltweit 15.000 Stellen abbauen wolle. Ein Drittel davon in Deutschland. Vielleicht gehören dazu ja auch noch ein paar Familienväter mit Butterbroten in Blechdosen dazu.

Da ich eine solche Reise nicht zum ersten Mal angetreten hatte, und ich auf keinen Fall auf die kulinarischen Anschläge der pseudo-frischen Bahnhofs-Pampe zurück greifen wollte, hatte ich klugerweise vorgesorgt. Den Hunger auf der 5:38 Stunden dauernden Fahrt bekämpfte ich erfolgreich mit drei Äpfeln aus heimischen Anbaugebieten. Die, knackig und frisch gepflückt vom eigenen Baum, hatte mir die Nachbarin ein paar Tage zuvor zugesteckt.

Der Preis? – Ein ehrlich gemeintes Lächeln. Und zurück gab‘s kein „Fünferl“, sondern die ehrlich gemeinte Aufforderung: „Lass es Dir schmecken!“Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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