Daimler: Autonomes Fahren ist kein „Fremdwort“

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Der Autobauer Daimler will bis 2020 den Autopiloten für den Straßenverkehr offerieren. Der Prozess dafür soll erheblich schneller voranschreiten als bislang angenommen. Das ist die Kernbotschaft einer Medienveranstaltung zum Thema „Gesellschaftlicher Dialog zum autonomen Fahren“, die in der Berliner Daimler Konzernrepräsentanz im Haus Huth stattfand. Autonome Fahrzeuge prägen künftig den Straßenverkehr. Bis dahin sind technische Hürden zu meistern und am gesellschaftlichen Konsens zu feilen.

Daimler präsentierte auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA, endet am 22. September) in Frankfurt/Main einen selbstfahrenden Mercedes S 500, der unlängst ohne Eingriffe eines Fahrers die gut 100 Kilometer lange Reise von Stuttgart nach Pforzheim fehlerfrei meisterte. Dabei war das technisch hochgerüstete Fahrzeug mit mehr als 20 Assistenzsystemen ausgestattet. Das Ergebnis ist vielversprechend, dennoch sind noch etliche Hausaufgaben zu erledigen.

Die Daimler und Benz Stiftung startet ein zweijähriges Förderprojekt, dem ein Team aus vier Professoren unterschiedlicher Disziplinen vorsteht. Vordringliche Aufgabe sei es, die Thematik auch auf gesellschaftliche Akzeptanz und rechtliche Aspekte zu untersuchen. Um die 200 Fragestellungen haben die „4“ aufgestellt und wollen sich wissenschaftlich abarbeiten.

„Man darf heute nicht suggerieren, dass ein Auto das schon alles schafft“, sagt Daimler-Vorstand Prof. Dr. Thomas Weber zum Beginn des Förderprojekts in der Bundeshauptstadt. „Das autonome Fahren kommt schrittweise. 2020 werden wir sicher schon sehr, sehr viel weiter sein.“ Bis dahin seien einige Prozesse zu verbessern: so müsse das notwendige Kartenmaterial viel präziser werden sowie die Rechnerleistung im Fahrzeug weiter steigen. Wichtige Säulen seien auch die Problematik gesellschaftsfähig zu machen und den komplexen rechtlichen Rahmen zu gestalten. Es ist also noch einiges zu tun. Darin waren sich die Professoren einig: Es ist eine Aufgabe mit enorm viel Potenzial und sehr vielen Chancen für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland ebenso wie für neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze.

Bisher liegen kaum fundierte Daten darüber vor, wie groß die Akzeptanz des autonomen Fahrens in der Bevölkerung sei. Wobei beispielsweise Menschen mit einem Handicap schon darauf schauen, wieder selbständig mobil zu sein. Für sie dürfte eine mögliche Hemmschwelle niedrig sein. „Welche Hoffnungen, welche Vorbehalte haben Menschen gegenüber einem solchen System?“ fragt Prof. Dr. Barbara Lenz vom Förderteam in die Runde. Die Wissenschaftlerin setzt hierzulande auf eine relativ hohe Zustimmung. Zu klären sei auch, wie sicher ein autonom fahrender Wagen sein muss, um gesellschaftlich „durchzukommen“. „Wir wissen das noch nicht“, bemerkt Prof. Dr. Markus Maurer, Sprecher des Förderteams. Auch der Preis für solche Fahrzeuge sei wichtig: Nach Ansicht von Daimler-Vorstand Weber darf autonomes Fahren nicht mehr als 2.000 bis 3.000 Euro zusätzlich kosten.

Die Daimler und Benz Stiftung fördert im Projekt „Villa Ladenburg“ die wissenschaftliche Betrachtung der gesellschaftlichen Auswirkungen des autonomen Fahrens. Das Fördervolumen für zwei Jahre beträgt rund 1,5 Millionen Euro. Ziel sei es, die Untersuchung der individuellen und gesellschaftlichen Anforderungen des autonomen Fahrens. Thomas Weber: „Als Automobilkonzern arbeiten wir intensiv an der Vision vom unfallfreien Fahren und treiben damit die technische Umsetzung bis hin zum autonomen Fahren voran. Um die Akzeptanz in der Gesellschaft für das automatisierte Fahren zu erlangen, brauchen wir neben der Technik- und Technologiediskussion einen offenen Diskurs mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur.“

Das von der Daimler und Benz Stiftung benannte Kernteam von vier Wissenschaftlern bildet ein internationales und fachübergreifendes Netzwerk: Die Professoren Markus Maurer, Barbara Lenz, Hermann Winner und J. Christian Gerdes beleuchten die Thematik im Spannungsfeld Mensch und Gesellschaft, Ökonomie und Markt, Politik und Recht, Technik und Verkehr aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Ferner kooperieren sie mit ausgewählten Experten.

Prof. Dr. Markus Maurer, Sprecher des Kernteams, erklärt in Berlin: „Wir wollen die Grundlagen für eine fundierte Diskussion zum autonomen Fahren mit der Öffentlichkeit schaffen – und zwar frühzeitig während der technologischen Forschungsphase.“ Am Ende werden die Spezialisten ein Weißbuch zur ganzheitlichen Betrachtung des autonomen Fahrens vorlegen.

Der jährliche Förderaufwand der Daimler und Benz Stiftung beträgt derzeit etwa drei Millionen Euro. Mit einem Vermögen von rund 125 Millionen Euro zählt die operativ tätige Stiftung zu den größten wissenschaftsfördernden Stiftungen Deutschlands.

Text: Erwin Halentz
Fotos: Daimler und Benz Stiftung

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